Examens- und Forschungskolloquium für Verfasser*innen von Masterarbeiten, Dissertationen, Habilitationen und wissenschaftlichen Publikationen. Der Rahmen des Kolloquiums wird außerdem zur Einladung von Gastvorträgen genutzt.

Semester: WiSe 2024/25

Der Siegeszug der Computer in all ihren Formen hat einen Wandel bewirkt, der mittlerweile alle gesellschaftlichen Bereiche durchdrungen hat. Oft wird dieser Wandel als Zäsur, ja als Revolution gedeutet, die einen radikalen Bruch sozialer, politischer, ökonomischer, kultureller und auch privater Praktiken erzwingt. Doch so richtig es ist, dass die digitale Technik nachhaltige und grundlegende Veränderungen hervorgebracht hat (und noch hervorbringen wird), so irreführend ist die Deutung des digitalen Wandelns als Zäsur: Tatsächlich ist die Digitalisierung eine sehr alte Kulturtechnik, die bereits der Entstehung der Alphabetschrift oder der Zahlensysteme zugrunde liegt, und in der Zivilisationsgeschichte auch vor der Erfindung binär-rechnender Maschinen Spuren hinterlassen hat.
Das Seminar will zweierlei leisten: Es will an ausgewählten Beispielen die historischen Ursprünge der Digitalisierung freilegen und ihre Auswirkungen auch in vormodernen Zeiten verfolgen; und es wird an aktuellen Fallbeispielen (und auf der Basis neuester Publikationen) zeigen, inwiefern die digitale Technik der Computer der Gegenwart Antworten auf Probleme gibt, die sich vor allem in der Moderne seit etwa 200 Jahren herausgebildet haben.

Semester: WiSe 2024/25

Eleonore Kalisch

Dramaturgien des Schrecklichen. Mediale Aspekte von der Antike bis zur Gegenwart

Schreckenserfahrungen gehören zu den leidvollsten und blutigsten Überlieferungen der Sozial- und Mentalitätsgeschichte. Unberührt von Schreckenserfahrungen bleiben weder Gemeinschaftsbildungen in ihren sozialen Widersprüchen und Machtkämpfen mit anderen Gemeinschaften noch die Individualentwicklung des Einzelnen in ihrer triebmotivierten Sinnlichkeit und subjektiven Innerlichkeit. Der Bogen der Überlieferung von Schreckenserfahrungen spannt sich von der Antike bis in die Gegenwart, allerdings nicht in reiner Kontinuität, sondern auch in Traditionsbrüchen und Innovationen. Die Spur erlittener und reflektierter Schreckenserfahrung zieht sich durch Mythen- und Kultgeschichte, Religionsgemeinschaften, literarische und bildkünstlerische Aufbrüche und Bewegungen.

Gorgias von Leontinoi, Mitbegründer der antiken Rhetorik und Schöpfer einer eigenen Tragödientheorie hat als erster parallel zur Macht des Wortes den Schrecken als Wirkkraft der Macht des Bildes thematisiert. Nach Gorgias wird der Schrecken (phobos) als Affekt vom Schrecklichen (phoberotes) als realem Geschehnis hervorgerufen. Gorgias unterscheidet die Schreckensempfindung und -wahrnehmung von den tragischen Affekten. Zugleich grenzt er das Schreckliche als Techne von Zauberei und Magie ab. Der Schrecken ist die Wirkkraft (dynamis), die sich durch den Anblick mitteilt, vergleichbar dem Doppelcharakter des Pharmakon als Droge und Medikament. Der Schrecken stößt die Seele in Verwirrung und vertreibt die Gedanken. Er lässt sich nach Auffassung von Gorgias aber auch zur Abschreckung der Feinde und zur Einübung der Polisbürger in die von ihnen selbst gegebenen Gesetze instrumentalisieren. Zugleich entschärft Gorgias die Wirkung des Schreckens in seiner Tragödientheorie: die Entdeckung der Fiktionalität gewährt dem Zuschauer von Schreckensdarstellungen einen Distanzgewinn durch die Lust an der gestalteten Form. Gorgias hat nachdrücklich die mediale Abhängigkeit von Schreckensaffekten beschrieben. So betont er die Plötzlichkeit des Schreckens, die Macht der Bildlichkeit, die Ambivalenz der Schreckensaffekte, die Ausschaltung der Reflexion. Diese und weitere Aspekte werden an konkreten Beispielen erörtert (von der Figur der Klytaimnestra (Aischylos, Agamemnon) über die Schindung des Marsyas bis zu Senecas Thyest/Sara Kane’s Phaidra’s Love, Roland Schimmelpfennig Anthropolis, hier insbesondere Laios).

Die Entwicklungsschübe der modernen Medien im 20. und 21. Jahrhundert haben die Wechselbeziehungen zwischen den Künsten, den Medien, den Sinnesmodalitäten, den verbalen und nonverbalen Ausdrucks- und Zeichenprozessen verstärkt und erweitert. Nicht nur das traditionelle System der schönen Künste hat sich – von der klassischen Moderne bis zur Pop-Avantgarde – aufgelöst, auch die ästhetischen Wertungsphänomene haben sich verändert. Neben die „hellen“ Werte von Schönheit und Harmonie sind immer stärker die „dunklen“ Werte getreten. Vor dem Hintergrund der Ästhetik des Hässlichen und der Gothic-Tradition des Horrors hat sich in unterschiedlichen narrativen, zeigenden und ludischen Medien (vom Genrefilm über TV Quality-Serien bis zu Computerspielen) eine moderne Ästhetik des Schreckens etabliert. Diese geht in ihren Quellen bis auf die Antike zurück, deren Versionen viele historische Metamorphosen durchlaufen haben. In einer Reihe konkreter Modellfälle (u. a. den Filmen Clockwork Orange, Funny Games und American Psycho, den Quality-Serien Breaking Bad und True Detective, dem Computerspiel Heavy Rain u.a.m.) wird eine von der Antike bis zur Gegenwart reichende dramaturgische Übereinkunft erneut geprüft: Das Schreckliche kann nicht beredet, es muss gezeigt werden.

Modulabschluss: Hausarbeit; Teilnahmeschein: Protokoll


Semester: WiSe 2024/25

Medien operieren in Verbünden, bilden Infrastrukturen oder bauen auf diesen auf. Ein Smartphone beispielsweise kann nur in komplexen Liefer- und Produktionsketten hergestellt werden und ist für sein Funktionieren auf Strom-, Telefon- und Datennetzwerke sowie konstante Updates der Software und Vieles mehr angewiesen. Für diese Zusammenhänge interessieren sich die Critical Studies of Media Infrastructures, die sich in den letzten Jahren innerhalb der amerikanischen Medienwissenschaft, inspiriert von der Infrastrukturtheorie der Anthropologie, als Forschungsfeld etabliert haben. Dem Blickfeld entzogene Dinge wie Unterseekabel und abgelegene Serverfarmen werden durch diese Forschung sichtbar und analysierbar. Auch in der deuschsprachigen Forschungslandschaft hat sich der Fokus auf Infrastrukturen als produktiv erwiesen, um historische und aktuelle Medientechnologien und die damit verbundenen politischen, ökonomischen und ökologischen Dynamiken besser zu verstehen. Wir lesen in diesem Seminar zentrale deutsch- und englischsprachige Texte dieses Forschungsfeldes und lernen Infrastrukturen sowohl als Thema und als auch als medienwissenschaftliche Methode kennen.

Prüfung
MAP: Hausarbeit, mündliche Prüfung

Semester: WiSe 2024/25
Semester: WiSe 2024/25

In unserem von Informationstechnologien geprägten Alltag ist der Begriff der Information allgegenwärtig. Oft gleichbedeutend mit ihren nahen Bedeutungsverwandten, den Fakten, Daten oder Nachrichten verwendet, kommt die Information sehr technisch und damit ahistorisch und allgemeingültig daher – im Kontrast zum kulturgeschichtlich getränkten Begriff des Wissens. Auch Ansätze der Medientheorie und mathematische Modelle der Information wie die von Claude Shannon tragen zum Eindruck der Ahistorizität von Information bei. Diesen Eindruck will das Seminar hinterfragen, indem wir das Konzept historisch verfolgen. Denn was man unter Information versteht und verstand ist historisch und lokal äußerst wandelbar. Je nach Kontexten und Technologien ändert sich auch die Information, was unter dem Begriff verstanden wird und welche Rolle Information gesellschaftlich, politisch und kulturell spielte. Anhand zentraler historischer Momente der Geschichte der Information schauen wir uns an, was Information im 20. Jahrhundert und bis heute jeweils bedeutete. Ziel ist es, einen historisch fundierten Blick auf heutige Informationsdebatten zu entwickeln.

Prüfung

MAP: Hausarbeit, mündliche Prüfung

Semester: WiSe 2024/25

Examens- und Forschungskolloquium für Verfasser*innen von Masterarbeiten, Dissertationen, Habilitationen und wissenschaftlichen Publikationen. Der Rahmen des Kolloquiums wird außerdem zur Einladung von Gastvorträgen genutzt.

Der erste Termin des Kolloquiums ist Dienstag, der 15. Oktober 2024!!! Allte weiteren Termine werden im Semester bekanntgegeben.

Semester: WiSe 2024/25

Das Seminar führt in die grundlegenden Theorien, Methoden und Arbeitstechniken der Medienwissenschaft ein. Gelesen werden einschlägige und zukunftsweisende Texte des Fachs Medienwissenschaft. Zudem vermittelt das Seminar den Umgang mit fachspezifischen Terminologien sowie die methodischen Grundlagen der Medienhistoriografie, Medienarchäologie, Mediendramaturgie, der critical code studies und weiterer medienspezifischer Analyseverfahren. Die analytischen Zugänge umfassen u. a. traditionelle Medien (etwa Buch, Teleskop, Kompass), audiovisuelle Medien (etwa Radio, Film, Fernsehen, Video) sowie partizipative Medien (etwa Computerspiele, Internet, mobile Medien). Auf Basis eigener Recherchen (Einzel- oder Gruppenarbeit) erhalten die Teilnehmenden die Gelegenheit, sich in medienwissenschaftlichen Arbeitstechniken zu üben.

Semester: WiSe 2024/25

In unserem Forschungsgebiet werden Medientechnologien nicht nur als Gebrauchsobjekte, sondern als materielle Bedingungen von Wahrnehmung, Wissen, Kommunikation und kulturellen Praktiken untersucht. In diesem Kurs lernen Sie anhand exemplarischer Lektüren Begriffe und Perspektiven kennen, die für so eine Analyse von Medientechnologien grundlegend sind. Einen Schwerpunkt bilden dabei Positionen der Technikphilosophie (Materialismus, Phänomenologie, Epistemologie, Ontologie der Technik), die in medienwissenschaftlicher Forschung eingesetzt oder problematisiert werden. Sie helfen nicht nur beim Hinterfragen naiver Technik- und Medienbegriffe, sondern stellen auch unser Arbeitswerkzeug bereit, wenn es darum geht, Medien als aktive, formgebende Strukturen in der Technik-, Kultur- oder Ideengeschichte zu denken.

Semester: WiSe 2024/25

Das Phänomen Musik ist in seinen mannigfaltigen Erscheinungsformen weit über unmittelbare Klanglichkeit hinaus auf vielschichtige Weise in historischen, sozialen und kulturellen Dimensionen vermittelt. Das Tutorium wird als verpflichtende Lehrveranstaltung für alle Studienanfänger:innen der Frage nachgehen, wie sich Musik in ihrer Bandbreite auf wissenschaftliche Weise untersuchen lässt und unterdessen grundlegende Aspekte musikwissenschaftlichen Arbeitens in den Blick nehmen. Ausgehend von den Gegenstandsbereichen, Modellen, der Fachgeschichte und den allgemeinen Grundbegriffen der Musikwissenschaft, gilt es Hilfsmittel wie Arbeitstechniken letzterer kennenzulernen bzw. einzuüben. So ist der Umgang mit Quellen und Recherchetools, die Beschaffung von Informationen oder Materialien, die Entwicklung von Fragestellungen sowie die Anwendung spezifischer Methoden keineswegs selbsterklärend, dabei unabdingbar für die erfolgreiche wissenschaftliche Arbeit im Rahmen des Studiums. Die wesentlichen Kernkompetenzen hierzu – das Lesen, das Argumentieren und nicht zuletzt die Fähigkeit zur Selbstorganisation, das gerade in Bezug auf die Strukturierung von Schreibprozessen – werden daher folgerichtig beständig im Fokus verbleiben. Ferner werden praktische Übungen einen Rahmen bieten, um sich mit dem Verfassen von Hausarbeiten bzw. dem Halten von Vorträgen als den wesentlichen musikwissenschaftlichen Präsentationsformen vertraut zu machen. Neben der Vermittlung von handwerklichen Grundlagen, soll die Lehrveranstaltung nicht zuletzt auch einen ersten Überblick über das Fach und dessen diverse Ausfaltungen ermöglichen. Mithin wird im Nachvollziehen aktueller Diskurse, die sich unter Berücksichtigung internationaler Perspektiven abzeichnen, so auch das Verhältnis der Musikwissenschaft zu anderen Disziplinen zu beleuchten sein.

Semester: WiSe 2024/25
Semester: WiSe 2024/25

Medien sind immer transkulturell. Sie entstehen durch subkutane epistemische Strömungen und Irrläufer, stille Post, kulturelle Aneignung, koloniale Gewalt, heilige Kanäle, Drogen und Experimente, Zweckentfremdungen, in Séancen und Science Fiction, Ethnomathematiken und zwischen Test und Protest. Das Seminar unternimmt den Versuch, diese Komplexitäten und Vielstimmigkeiten sicht- und hörbar zu machen und in eine umfassendere Theoriebildung zu überführen, die gängige Historiografien und Theorien hinterfragt und überdenkt.

Semester: WiSe 2024/25

Der Nachlass des 2011 verstorbenen Medienwissenschaftlers Friedrich Kittler stellt wegen der unterschiedlichen Medien, Formate und der großen Anzahl Herausforderungen an das Deutsche Literaturarchiv Marbach und an die Edition Gesammelter Werke im Merve Verlag. Merve stellt sich aktuell dieser Herausforderung durch die Erweiterung des Datenpräservations-Frameworks invenio (in Verwendung u.a. beim Bundesarchiv, beim Stanford Physics Information Retrieval System, beim CERN) um ein Research Data Managementsystem (RDM) zum Forschungsdatenmanagementsystem invenioRDM. Die Verwaltung des Materials erfolgt durch Media Assets. Im Projektseminar werden wir anhand von unveröffentlichtem Nachlassmaterial Kittlers diese Software-Lösungen kennen und nutzen lernen.  Das Material umfasst Audios, Transkriptionen und Faksimiles von Seminarvorbereitungen der dreiteiligen  Lehrveranstaltung "Über technische Voraussetzungen der Literatur um 1900" (1980--1983) und Schaltungen rund um Kittlers Synthesizer, den er zeitgleich gebaut hat. Lernziele dieses Seminars sind eine Beschäftigung mit der Theorie Kittlers und eine Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten des Forschungsdatenmanagementsystem invenioRDM. Mit den erworbenen Kompetenzen sollen aus dem Nachlassmaterial Media Assets erstellt und bearbeitet werden. 

In Kooperation der Professur Digitale Medien und Computation mit der Friedrich-Kittler-Gesellschaft.

Semester: WiSe 2024/25

Der kalifornische Medien- und Designtheoretiker Benjamin Bratton artikulierte bereits vor zehn Jahren die Feststellung, dass durch die Digitalisierungswellen der letzen Jahrzehnte eine planetarische Megastruktur entstanden sei, die er "The Stack" nannte. Die Vorlesung wird den Sinn, Aufbau und Zweck dieses gestapelten Maschinengefüges thematisieren und mit einem von Félix Guattari und Gilles Deleuze inspirieren Theorieprogramm erweitern. Ziel der Vorlesung ist erstens die Vermittlung einschlägiger Bausteine, um Prozesse der planetarischen Komputation medienwissenschaftlich einordnen zu können, zweitens die Darlegung und Situierung einiger wichtiger Kontexte der Archäologie und Geschichte des Digitalen und drittens die Diskussion, wie die Zukunft digitaler Medientechnologien aussehen wird, wenn wir nicht eingreifen und welche Theoriekomponenten für eine sinnvolle digitale Transformation wichtig wären.

Vorbereitende Lektüre: Digitalität tanzen! https://www.transcript-open.de/isbn/6626

Erwartet wird von allen Hörer:innen eine kurze schriftliche Rückmeldung (max. 250 Wörter) jeweils nach zwei Vorlesungen während des gesamten Semesters.

Semester: WiSe 2024/25

Félix Guattari (1930–1992) war Teil der Antipsychiatrie-Bewegung und arbeitete ab 1955 in der Klinik La Borde in Cour-Cheverny etwa 200 km südlich von Paris. Er ist bekannt dafür, dass er mit dem französischen Philosophen Gilles Deleuze "Anti-Ödipus" (1972) und "Tausend Plateaus" (1980) geschrieben und damit maßgeblich auch die deutschsprachige Medienwissenschaft beeinflusst hat bzw. aktuell für neue Impulse darin sorgt. Guattari begann die Arbeit am Filmskript bereits Ende der 1970er-Jahre und beendete die letzte Version Ende der 1980er-Jahre. Die Geschichte im Film handelt von Alien-Bakterien, die unter anderem auch mit den Bewohner:innen eines besetzten Hauses in Frankfurt, das aus Wissenschaftler:innen und Aktivist:innen besteht, durch elektromagnetische Transduktion Kontakt aufnehmen. Der Film sollte "Un amour d'UIQ" heißen (UIQ steht für Univers-Infra-Quark = Infra-Quark-Universum). UIQ hat keine festen Grenzen und anfänglich kein klares Ziel. Durch DJane Janice lernt UIQ die bodenlose Liebe und Eifersucht kennen und versucht, sich durch Bildschirme und andere Medien auf der Erde zu manifestieren... so in aller Kürze ein Ausschnitt der Geschichte. Teils Selbstanalyse, teils filmischer Ausdruck seiner theoretischen Arbeiten, verschränkt Guattaris Drehbuch seine Theorie der molekularen Revolution und maschinellen Gefüge mit seiner Leidenschaft für Comicbücher, für freies Radio und für den Film. Die Vorlesung befasst sich mit dem Filmskript, der Theorie und den Implikationen für eine zeitgenössische, minoritäre Medienästhetik und -dramaturgie. Erwartet wird von allen Hörer:innen eine kurze schriftliche Rückmeldung (max. 250 Wörter) jeweils nach zwei Vorlesungen durch das ganze Semester hindurch.

Semester: WiSe 2024/25