Der französische Jesuit Michel de Certeau (1925–1986) kann als ein permanenter Grenzgänger zwischen verschiedenen akademischen Disziplinen (Historische Theologie, Geschichtstheorie, Psychologie, Anthropologie, Literaturwissenschaft, Philosophie und Kulturtheorie) gelten, der in seinen Werken den Ansatz einer transdisziplinären historischen Kulturwissenschaft verfolgte. Besonders zu Beginn seines intellektuellen Schaffens setzte er sich mit der Geschichte des Jesuitenordens und verschiedenen Aspekten von Frömmigkeit und Spiritualität in der Frühen Neuzeit auseinander.
Im Proseminar sollen zunächst historische Entwicklungen und spezifische Charakteristika katholischer Frömmigkeit im Anschluss an das Konzil von Trient (1545–1563) anhand der Auseinandersetzung mit verschiedenen Primärquellen erarbeitet werden. Themen werden u. a. Rituale und sakramentale Handlungen, Bildpraktiken, mystische Sprechweisen, anarchisch-„wilde“ Frömmigkeitsformen sowie die Verehrung von Heiligen und Reliquien sein. All diese Praktiken werden im Lichte der von Michel de Certeau entwickelten Analyseinstrumentarien interpretiert, um schließlich die Frage zu diskutieren, welche Perspektiven für die kirchenhistorische Forschung der Frühen Neuzeit disziplinenübergreifende Ansätze der Kulturwissenschaft eröffnen können.