Archilochos
ist der herausragendste Vertreter des archaischen Iambos, von dem für uns ca.
330 Fragmente erhalten sind. Kürzlich sind auch Neufunde hinzugekommen (P.Oxy.
4708). Genauso wie Homer oder Aischylos ist Archilochos für uns ein Anfang -- aber ein Anfang wovon? Die etablierte Sichtweise vereinnahmt ihn für das
Entstehen subjektiv-emotionaler ‘Lyrik’, das heißt, die Darstellung ungezähmter
Emotion, des individualistischen Aufbegehrens gegen adlige Verhaltensnormen,
eines Konzepts des Ichs, usw. Das Seminar soll zunächst die recht schwierigen
Texte erschließen; das schließt metrische und papyrologische Arbeitsweisen ein.
Daneben bietet sich
Archilochos für eine Fülle von Fragestellungen an, die in unserem Fach von
grundsätzlicher Bedeutung sind, z.B.: Was könnte der Sinn derart persönlicher
Dichtung gewesen sein? Wie funktioniert sie, d.h. wie verhält sich das
präsentierte ‘Ich’ zum Ich des Autors und des Rezipienten? Was ist die richtige
Balance zwischen historisierender und ästhetisierender Lektüre? Was bedeutet
es, ein ‘Fragment’ zu lesen und welche konstruktiven Praktiken fließen in die
Interpretation mit ein?
Zur
Vorbereitung empfohlen: B. Snell, “IV. Das Erwachen der Persönlichkeit in der
frühgriechischen Lyrik”. In: ders., Die
Entdeckung des Geistes. Studien zur
Entstehung des europäischen Denkens bei den Griechen. Göttingen (V&R), 71993,
56-81 (kritisch zu lesen). Föllinger, S. 2006. “Tränen und Weinen in der
Dichtung des archaischen Griechenlands”. In: Zs. f. Semiotik 28, 179-195.
- Kursverantwortliche/r: Prof. Dr. Markus Asper