Kurseinschreibung

Joseph Roths Roman „Radetzkymarsch“ erschien 1932. Die Habsburger Monarchie, von der er erzählt, war zu dieser Zeit schon Geschichte, denn vom Vielvölkerstaat Österreich-Ungarn – einem politischen Koloss mit greisem kaiserlichen Oberhaupt – war nach dem Ersten Weltkrieg nur eine läppische Alpenrepublik übrig geblieben. Leutnant Carl Joseph von Trotta, die Hauptfigur des Romans, wird das Debakel der k.u.k. Armee nicht mehr erleben. Er stirbt früh in den ersten Kriegstagen, als er seinen durstigen Kameraden Linderung verschaffen will und beim Wasserholen unter Beschuss gerät. Die „Welt von gestern“ (Stefan Zweig), deren Ende sich in diesem banalen Infanteristen-Tod abzeichnet, kann im melancholischen „Radetzkymarsch“ als mondäne Offizierswelt besichtigt werden, in der Paraden und ödes Exerzieren, Bälle und Saufgelage, Casino- und Bordellbesuche an der Tagesordnung waren und Uniformen soziale Hochachtung garantierten. Das Seminar wird dem Roman eine eingehende Lektüre widmen und nach dem „habsburgischen Mythos“ (Claudio Magris) fragen, den er im Rückblick erzeugt. Ausgegriffen wird dabei auf politische, kultur- und sozialhistorische Kontexte, auf andere Leutnantskarrieren in der Literatur des ausgehenden 19. Jahrhunderts – bei Schnitzler und, kontrastiv, bei Fontane –, schließlich auf weitere Erzählungen und Feuilletons aus den 1920er und 1930er Jahren, in denen Roth das Bild des versunkenen Österreich-Ungarn nachbearbeitet.

Das SE wird in einer Mischung aus synchronen und asynchronen Elementen durchgeführt. Vorgesehen sind wöchentliche Zoom-Sitzungen.

Semester: WiSe 2020/21
Selbsteinschreibung (Teilnehmer/in)
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