Kurseinschreibung


"Eine höhere Gewalt verfolgt mich. Allwissenheit schwebt um mich. Ein unsichtbares Wesen, dem ich nicht entfliehen kann, bewacht alle meine Schritte." (Friedrich Schiller: Der Geisterseher)

Überwachung ist eine Kulturtechnik, die heute allgegenwärtig erscheint. Sie folgt unterschiedlichen Interessenlagen und Zielsetzungen (Datengewinnung, Kontrolle, Fürsorge) und wird keineswegs nur von oben nach unten, sondern auch von gleich zu gleich ausgeübt oder als Selbstüberwachung praktiziert. Bei alldem ist Überwachung sowohl ein umstrittenes politisches Thema als auch eine Angelegenheit von beträchtlicher ästhetischer Reichweite – besonders in der Literatur.
Das SE widmet sich der Frage, wie Überwachung erzählerisch dargestellt werden kann. Von Bedeutung ist vor allem die Einsehbarkeit von Bewusstseinsvorgängen. In der Geschichte des neuzeitlichen Romans wird die Figur des Erzählers mehr und mehr zum Experten für das Eindringen in die Innenwelten fiktiver Charaktere; in der literarischen Moderne entstehen Erzähltechniken wie der stream of consciousness, die die Suggestion der Innensicht noch verstärken. Im SE sollen solche narratologischen Parameter der zustandekommenden oder verweigerten Einsicht, Übersicht und 'Allwissenheit' im Hinblick auf bestimmte Genres untersucht werden, die ausdrücklich Überwachung thematisieren. Dazu gehören etwa Geheimbundromane, die seit dem späten 18. Jahrhundert Imaginationen verborgener politischer Lenkung entwerfen, Detektiv- und Spionageerzählungen, für die die detaillierte Schilderung von Ermittlung und Observation unverzichtbar ist, sowie Dystopien, in denen die Protagonisten oftmals versuchen, sich den Institutionen totalitärer Überwachung zu entziehen.



Semester: WiSe 2020/21
Selbsteinschreibung
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