Die Suche nach dem, was aus Sicht des 20. Jahrhunderts
als besonders „modern“ und „rational“ begriffen werden konnte, also nach
frühneuzeitlichen Elementen, die die sogenannte „Moderne“ bereits
vorweggenommen hätten, führte in der
historischen Forschung zu einer Privilegierung derjenigen religiösen
Bewegungen, die sich im 19. Jahrhundert schließlich als Orthodoxien durchsetzen
konnten. Vor diesem Hintergrund war es möglich, die Herausbildung der
lutherischen, reformierten und katholischen Konfession als gradlinige Phänomene
zu denken, sogenannte Splittergruppen wurden als letztlich irrelevante Irrwege
vernachlässigt. Auch die lange als paradigmatisch bezeichneten Epochenphänomene
wie „Konfessionalisierung“, „Säkularisierung“ oder die „Konfessionskultur“
stehen in dieser historiographischen Tradition. Nun ist neuerdings
vorgeschlagen worden, den Fokus zu verschieben und die Entwicklung nicht schon
vorauszusetzen, sondern eher ambigue Phänomene in den Blick zu nehmen.
Religiöse Abgrenzungen scheinen in der Frühen Neuzeit erstaunlich fluide
gewesen zu sein. Auch lässt sich das frühneuzeitliche religiöse Feld keineswegs
auf die christlichen Konfessionen begrenzen. Im Seminar sollen – vor dem
Hintergrund einer kritischen Reflexion über Masternarrative – jüngste
Forschungen diskutiert und eigene Forschungsprojekte in diesem Bereich
entwickelt werden.
- Kursverantwortliche/r: Xenia von Tippelskirch