Kurseinschreibung

Dem Wortsinn nach bedeutet Kritik 'Trennung' oder 'Unterscheidung'. Die Fähigkeit, Unterscheidungen zu treffen, ist fundamental für wissenschaftliches Denken und Arbeiten, also auch für die Literaturwissenschaft. Das betrifft zunächst die philologische Textkritik, d.h. die Unterscheidung verschiedener Überlieferungszeugnisse. Kritik meint aber auch reflexives Urteilen, das Vermögen, "nachzugrübeln: woher es komme, daß […] dieses wohl, jenes aber übel gefällt", wie es in Gottscheds Versuch einer Critischen Dichtkunst (1729) heißt. Kritik bezeichnet außerdem die Leidenschaft, sich über Urteile und Urteilskraft zu streiten, also, um beim Beispiel zu bleiben, den Versuch einer Critischen Dichtkunst mit diversen gegenläufigen Critischen Abhandlungen zu beantworten, wie es Gottscheds Kontrahenten Bodmer und Breitinger unternahmen. Im Spannungsfeld von Unterscheiden, Urteilen und Streiten sind die (literatur-)kritischen Positionen angesiedelt, die im Seminar diskutiert werden: von der Aufklärung (Lessing) über die Romantik (Schlegel, Schleiermacher) und die Kritische Theorie (Benjamin, Adorno) bis hin zu aktuellen Debatten um creative criticism (Poovey) und postcritique (Felski).

Zur Orientierung: Kurt Röttgers: "Kritik" (in: Geschichtliche Grundbegriffe, hg. von Otto Brunner u.a., Bd. 3, Stuttgart 1982, S. 651-675); Martin Fontius: "Kritisch/Kritik" (in: Ästhetische Grundbegriffe, hg. von Karlheinz Barck u.a., Bd. 3, Stuttgart 2001, S. 450-489).

Semester: WiSe 2020/21
Selbsteinschreibung (Teilnehmer/in)
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