Das Seminar verfolgt eine zentrale Entwicklung in der europäischen Theatergeschichte: Den Übergang von der sogenannten commedia dell’arte, einer im Europa des 17. Jahrhunderts berühmten italienischen Tradition des virtuos improvisierten und mobilen Theaters zu einer ausgefeilten, ironischen und auf feste städtische Spielorte und ein städtisches Publikum ausgerichteten Komödie. Dieser Übergang ist in der italienischen Literaturgeschichte mit dem Namen des Schriftstellers und Theaterdirektors Carlo Goldoni verbunden, der die fest etablierten Typen-Figuren der commedia dell‘arte zu komplexen Dramenfiguren weiterentwickelte, die Handlungen komplexer gestaltete und das Theater zu einem Genre der bürgerlichen Selbst- und Gesellschaftsreflexion machte.
Im Seminar werden in einem ersten Teil zunächst die ‚Masken‘ der commedia dell’arte und ihre Eigenarten sowie die Aufführungsbedingen der commedia dell’arte im kulturellen Kontext des 17. Jahrhunderts erarbeitet. Diese Komödienform soll damit zum Ersten als ein fruchtbares Experimentierfeld für Figuren und komische Handlungsverläufe verständlich werden, die die Komödientradition bis heute prägen. Zum zweiten soll sie als eine der wirkmächtigsten Formen des professionellen Schauspiels im frühneuzeitlichen Europa in den Blick genommen, das neue Reflexionen über theatralische Darstellung ermöglicht hat.
In einem zweiten Teil werden drei der berühmtesten Stücke Goldonis daraufhin befragt, wie dort die Figuren der commedia dell’arte wieder aufgenommen werden, inwiefern sich Goldonis Dramaturgie aber auch von ihnen entfernt. Goldonis Ausarbeitungen werden dabei insbesondere unter den Vorzeichen einer Anthropologie der Aufklärung betrachtet und in dem konkreten kulturhistorischen Zusammenhang des aufstrebenden (venezianischen) Bürgertums und seiner kulturellen Selbstverortung betrachtet. Dass sowohl die commedia dell’arte als auch Goldonis Komödien auch für ein modernes Publikum durchaus komische Potentiale haben, wird dabei nicht zu kurz kommen.
Lernziele: Die Studierenden erweitern ihre Kenntnisse in der Dramenanalyse. Die Teilnehmenden werden die besonderen Bedingungen des improvisierten Theaters kennen lernen, die „scenari“ der commedia dell’arte lesen und selbst solche Handlungsabrisse verfassen können. Sie werden eine Auswahl von Carlo Goldonis Komödien kennen und diese in ihren kulturgeschichtlichen Kontext einordnen können. Sie lernen den literatur- und kulturwissenschaftlichen Ansatz der literarischen Anthropologie kennen und anwenden.
Das Lesematerial wird vor Beginn des Semesters über Moodle zur Verfügung gestellt.
Als Studienleistungen wird eine Kurzpräsentation (Vorstellung einzelner Maskentypen oder Präsentation einer Komödie Goldonis) oder das Verfassen eines eigenen „scenario“ (in Kleingruppen, schriftlich) angesetzt. Wird das Seminar für Modul 10 belegt, müssen beide Leistungen (Präsentation und scenario) erbracht werden.
- Kursverantwortliche/r: SHK Adi Levant
- Kursverantwortliche/r: Dr. Esther Schomacher