Wie erfassen verschiedene philosophische Konzepte das komplexe Gefüge
von Glaube und Vernunft, Religion und Gesellschaft? Und was genau
bedeutet es, wenn wir den Begriff der „Transformation“ in diesem
Zusammenhang betrachten?
Dieser Ausdruck, der in zahlreichen
gesellschaftstheoretischen und politischen Debatten allgegenwärtig
erscheint und fast schon modisch gebraucht wird, soll hier philosophisch
beim Wort genommen werden. Denn Transformation bezeichnet immer auch
den Kontext, in dem sich gegenwärtig das philosophische Nachdenken über
das Verhältnis von Glaube und Vernunft vollzieht. Die epochalen
Veränderungen, die zur Entstehung und Profilbildung der modernen
Gesellschaft und Kultur geführt haben, betreffen im hohen Maße die Rolle
und das intellektuelle Selbstverständnis von Religion.
Theodor W.
Adorno hat diesen Prozess der radikalen Verwandlung religiöser Gehalte
als „Einwanderung ins Profane“ bezeichnet. Aber werden in der Folge
dieser Migrationsbewegung die religiösen Gehalte nicht zu einer starken
Assimilation an säkulare Standards gezwungen, in deren Folge sie ihre
Identität verlieren werden und aufgeben müssen? Oder bedeutet umgekehrt
die Einwanderung des Religiösen eine schleichende Veränderung im
Selbstverständnis der säkularen Moderne bis hin zu einer
freiheitsgefährdenden Unterwanderung? Wie können Grenzen zwischen Glaube
und Vernunft, Religion und Gesellschaft, Theologie und Philosophie
gezogen und bestimmt werden? Wo sind Grenzüberschreitungen unvermeidlich
und gerechtfertigt?
Ausgehend von diesen Leitfragen wird sich die Vorlesung zunächst mit Kant und Hegel als paradigmatischen philosophischen Denkern der modernen Transformation beschäftigen. Die von ihnen repräsentierte Spannung zwischen Grenzziehung und Grenzüberschreitung im Verhältnis von Glaube und Vernunft wird in ihrer weiteren ideengeschichtlichen Entfaltung bei Autoren wie John Rawls und Jürgen Habermas, aber auch bei Vertretern der älteren Kritischen Theorie (Adorno, Benjamin und Horkheimer) sowie bei Hans Blumenberg und Georges Bataille untersucht.
- Kursverantwortliche/r: Prof. Dr. Thomas Schmidt (IKT)