Kurseinschreibung

Die Psychologie ist in ihren sich wandelnden Bestimmungen im 19. Jahrhundert zugleich Gegenstand und Methode der Literatur, wie auch umgekehrt die Literatur Gegenstand und ihre Verfahren Methoden der Psychologie sind. Ab der Jahrhundertmitte werden psychische Krankheiten wie Hysterie oder Neurasthenie, aber auch Phänomene wie Traum und Halluzination zunehmend zu literarischen Gegenständen, Literaten definieren ihre Texte als psychophysiologische Untersuchungen. An den Romanen Gustave Flauberts, Emile Zolas oder Joris-Karl Huysmans‘ zeigt sich, wie Vokabular und Verfahren der Psychophysiologie Eingang in die Literatur halten. Diese Bewegung verläuft nicht einseitig: Narrative Verfahren, wie Romane und Erzählungen sie seit ihrer Fokussierung auf das ›Innere‹ der Protagonisten entwerfen, schreiben mit an den Fallgeschichten der Psychiatrie. Desgleichen reklamiert, wie die Literatur, auch die Literaturkritik psychophysiologische Verfahren. Mit Hippolyte Taine wird der literarische Text zum ›fait‹, zum positiven Faktum, über das Zugriffe auf die ›Seele‹ des Autors möglich werden. Und Taine gilt nicht nur als Begründer einer ›wissenschaftlichen‹ Literaturkritik, sondern zugleich als einer der Väter der neuen, von der Philosophie unabhängigen Psychologie, die sich Ende des 19. Jahrhunderts erstmals als selbstständige Disziplin an den Universitäten etabliert.

Die BA-Vorlesung Französische Literatur richtet den Blick auch auf die Vorgeschichte der Psychologie, also auf die Geschichte der Seelenwissenschaften oder sciences de l’âme im 16., 17. und 18. Jahrhundert und zeichnet deren vielfältigen Verbindungen zu literarischen Texten nach. Denn die Literatur hat, von Michel de Montaignes Essais über Jean Jacques Rousseaus Confessions bis zu Marcel Prousts A la recherche du temps perdu, über die Jahrhunderte hinweg am Wissen von Seele und Psyche mitgeschrieben.

Semester: SoSe 2024
Selbsteinschreibung (Teilnehmer/in)
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