FS - M28 - 12.10 - Provenienzforschung - Michaela Scheibe

Jedes alte Buch, jede Handschrift hat eine beziehungsreiche Geschichte. Hinter Anmerkungen, Stempeln und Nummern verbergen sich Namen, zerstreute Sammlungen, Bücherraub oder Bücherschenkung. Durch diese Spurenvielfalt werden historische Bibliotheksbestände zu vielschichtigen Kulturgütern. Die auf der Washingtoner Erklärung fußende Verpflichtung, in der NS-Zeit verfolgungsbedingt entzogene Kulturgüter an die Berechtigten zurückzugeben bzw. anderweitige „gerechte und faire Lösungen“ zu finden, macht die Suche nach NS-Raubgut und damit die Provenienzforschung zu einer vordringlichen Aufgabe. Hinzu kommen Fragen zu kriegsbedingt verlagerten Kulturgütern, Kulturgutverlusten während der sowjetischen Besatzung (z.B. durch die Bodenreform) und in der DDR und Kulturgut aus kolonialen Kontexten.

Die standardisierte Erfassung und kooperative Nutzung von Provenienzdaten ist ein zentrales Thema der inzwischen an zahlreichen Bibliotheken als Kernaufgabe etablierten exemplarspezifischen Erschließung. Zentrale Instrumente sind dabei der Thesaurus der Provenienzbegriffe (T-PRO) und die Verwendung von Normdaten.

Ziel des Workshops ist es, einen Einblick in die Grundlagen der Provenienzforschung sowie die besonderen, auch juristischen Aspekte der NS-Raubgutforschung zu geben und gleichzeitig zur Erforschung und Erschließung von Provenienzen notwendige Kompetenzen zu vermitteln.

In praktischen Übungen sollen die Teilnehmenden Provenienzspuren interpretieren und datieren, Exemplargeschichten erstellen und im historischen Kontext bewerten sowie typische Quellen wie Zugangsbücher und Erwerbungsakten kennenlernen. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen dann in etablierte bibliothekarische Erschließungsmodelle umgesetzt werden.