Ein Dominikaner, der sich das Monogramm IHS ins Fleisch schneidet, ein
mit Nägeln besetztes Kreuz auf dem Rücken trägt und sich bis aufs Blut
geißelt. Ein Visionär, dem Engel Erdbeeren schenken und dem in der Schau
leuchtende Rosen an Händen und Füßen wachsen. Ein Mönch, der versucht,
der Missgunst seiner Umgebung gelassen zu begegnen, und sich dabei an
einem Fußtuch, einem Hundespielzeug, ein Beispiel nimmt. Ein Schüler
Meister Eckharts, der theologische Problemstellungen souverän meistert.
Als
einzigartiges kulturgeschichtliches Dokument zählt die um 1360
entstandene „Vita“ Heinrich Seuses zu den wenigen autobiographischen
Schriften des Mittelalters. Im Rahmen des Seminars wollen wir Spezifika
des autobiographischen Schreibens sowie der Schriftträger in der
religiösen Kultur des Mittelalters (speziell des 14. Jahrhunderts)
diskutieren.
Wir lesen die Kapitel in der vom Text vorgegebenen
Reihenfolge. Dabei stehen klösterlicher Alltag genauso wie Reisen und
außeralltägliche Visionen zur Diskussion. Seuses Selbstentwurf als
Asket, geistlicher Liebhaber und Ritter fügt sich in zeitgenössische
Körper- und Schmerzdiskurse. Er operiert mit geistlichen Konzepten von
Eros und Rittertum. Komplementär dazu interessiert uns Seuse als
Erzähler, d. h. Struktur, Motive und Spannungsbögen des Textes. Wir
behalten im Blick, dass sich die Vita als religiöse Didaxe verstand und
mit theologischen Spekulationen schließt, die über ideengeschichtliche
Relevanz verfügen. Dabei interessieren uns theoretische Implikationen
einer kulturwissenschaftlichen Herangehensweise an einen religiösen
Text.
Als Arbeitsleistung wird die intensive Vor- und Nachbereitung erwartet.
- Kursverantwortliche/r: Paola Rigi-Luperti
- Kursverantwortliche/r: Beatrice Trinca