Philostratos, Vita des Apollonios von Tyana

Der Literat Flavius Philostratos (ca. 170-244/5 AD), Mitglied der Intellektuellen um Septimius Severus und der Iulia Domna, schrieb eine umfangreiche Vita des Apollonios von Tyana (ca. 40-120). Dieser, ein Neupythagoreer und ‚Wundermann‘, wanderte im Osten des römischen Reiches umher, debattierte mit Priestern, indischen Weisen und römischen Funktionären, traf sogar Nero, Vespasian und Domitian, vollbrachte Wunder und lehrte seine Philosophie. Die Vita des Philostrat ist als „encyclopedia of hagiography“ bezeichnet worden (Anderson 1986), die Elemente verschiedenster Gattungen integriert (Reiseromane, philosophische Dialoge, Briefe, Wundererzählungen). Er schildert diesen Mann als Asketen und Weisen à la Pythagoras und reagiert vermutlich auf ältere Texte und Traditionen, die ihn eher als ‚Wundermann‘ von göttlichem Kaliber sehen (theios anēr) oder als Magier. Bei Philostrat steht er außerdem für die griechische paideia und Loyalität zu Rom. Apollonios besucht ebenso die zentralen Orte des römischen Reichs wie seine östlichen Ränder, daneben Heiligtümer. In Ausschnitten wird die römische Kaisergeschichte von Claudius bis Nerva deutlich. Der Text ist immer als Vergleichsgröße für die sog. Evangelien herangezogen worden; es ist unsicher, ob zu Recht. Jedenfalls lernt man anhand der Aktivitäten und Reisen des Apollonios und seiner Konfrontation mit den römischen Kaisern, allen voran Domitian, vieles über das Selbstbewusstsein der Griechen unter römischer Herrschaft.

Ziel des Kurses ist u.a. die Lektüre eines typischen kaiserzeitlichen Textes, allerdings nur in Ausschnitten (Vorschlag: I 3, 22; II 21, 27, 39; III 8, 18; IV 1, 3, 10, 16, 36 f., 44, 45; V 28, 42; VI 32; VII 38; VIII 4, 5, 8, 10, 12, 19 f., 25 f., 31). Als Textgrundlage dient Kayser, C.L. 1870/71. Flavii Philostrati opera. Leipzig, Bd. 1, 1-344 (die relevanten Textpartien werden auf Moodle eingestellt).