Mit Martin Luther und Johannes Calvin
hat die protestantische Ethik immer darauf beharrt, dass auch
Arbeit und Wirtschaften gute und göttlich wohlgefällige
Tätigkeiten seien, ja, dass man zur Arbeit berufen sei - daher
auch unser Begriff des Berufs. Aber lässt sich das unter modernen
Bedingungen noch behaupten?
Im Zuge der Digitalisierung
verändern sich Wirtschaft und Arbeit erheblich. Nicht erst seit
der Corona-Krise hat sich die Bedeutung digitaler Arbeit, die im
'home office' verrichtet wird, mitsamt den Vor- und Nachteilen, die
mit ihr verbunden sind, erhöht, während für Paketbot*innen und
Pflegepersonal nur Druck und Arbeitsaufkommen, nicht aber der Lohn
gestiegen ist. So erhält der Begriff des 'digital divide'
insgesamt neue Bedeutung: Eine Reihe von Unternehmen der digitalen
Industrie haben eine Marktmacht errungen, die auf faktische
Monopolstellungen hinausläuft, während viele Arbeitnehmer*innen
weltweit nur über wenig Gestaltungsmacht und Rechte verfügen. Die
Bedeutung wirtschaftlichen Handelns jedenfalls – ganz gleich ob
in der der Produktion, der Verteilung oder dem Konsum von Gütern
und Dienstleistungen – ist gegenwärtig unbestritten. Die
Ereignisse an den Finanzmärkten, die Digitalisierung der
Wirtschaft, die Entwicklung der Produktion und die Entfaltung des
internationalen Handels berühren das alltägliche Leben jedes
Menschen überall auf der Welt.
Die Vorlesung sucht klassische und moderne Problemlagen und ethische Positionsbestimmungen aus protestantischer Perspektive im Überblick darzustellen.
Learning outcomes: Absolventinnen und Absolventen der Vorlesung kennen verschiedene Modelle des Wirtschaftens und sind mit ausgewählten Grundbegrifflichkeiten und Parametern moderner Ökonomik vertraut, sie können zentrale Positionen klassischer und moderner Wirtschaftsethik benennen und in Grundzügen rekonstruieren sowie erste eigene Positionen im Kontext aktueller wirtschaftsethischer Herausforderungen – Digitalisierung, Organisation von Finanzmärkten, Nachhaltigkeitsproblematik, Zusammenhang von sozialer Sicherung und wirtschaftlicher Effizienz – entwickeln.
Literatur: Hengsbach, Friedhelm, Wirtschaftsethik. Aufbruch, Konflikte, Perspektiven, Freiburg im Breisgau 1991; Homann Karl, Lütge Christoph, Einführung in die Wirtschaftsethik. Münster 2004; Jähnichen Traugott, Wiemeyer, Joachim, Wirtschaftsethik 4.0. Der digitale Wandel als wirtschaftsethische Herausforderung, Stuttgart 2020; Rich, Arthur, Wirtschaftsethik Bd. 1. Grundlagen in theologischer Perspektive, Gütersloh 4. Aufl. 1991; Rich, Arthur, Wirtschaftsethik Bd. 2. Marktwirtschaft, Planwirtschaft, Weltwirtschaft aus sozialethischer Sicht, Gütersloh 2. verb. Aufl. 1992
- Kursverantwortliche/r: Torsten Meireis