Kurseinschreibung

Spätestens seit den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts begriff sich Schweden als neutraler Staat. Damit war im nationalen Selbstverständnis die frühneuzeitliche schwedische "Großmachtzeit" (stormaktstiden) zu Ende. Was folgte, waren zwei Jahrhunderte erheblicher Anstrengungen, den Neutralitätsstatus zu wahren, oft in der Variante der "bewaffneten Neutralität" (während des Krim-Krieges, des Ersten und Zweiten Weltkrieges). Diese Haltung wackelte jedoch seit den 1990er Jahren. Der russische Krieg gegen die Ukraine (seit 2022) versetzte ihr den finalen Schlag. In den anderen Ländern des Nordens gestalteten sich die Entwicklungen deutlich komplizierter. Finnland war seit seiner Ablösung aus der schwedischen Herrschaft (1809) immer wieder in militärische Konflikte verwickelt, seine offizielle Neutralität seit 1948 war von der Sowjetunion erzwungen worden; Dänemarks Neutralität wurde durch mehrere Kriege gegen den Deutschen Bund und später durch die deutsche Besetzung im Zweiten Weltkrieg erschüttert. Ähnliches galt für Norwegen während des Zweiten Weltkriegs. Island konnte sich aus den großen militärischen Auseinandersetzungen seit seiner stufenweisen Ablösung von Dänemark (1918, 1945) heraushalten, musste jedoch britische und US-amerikanische Besetzungen während des Zweiten und des Kalten Krieges hinnehmen, die Völkerrecht verletzten und die Neutralität schließlich obsolet machten. Im Kurs wollen wir zum einen die verschiedenen nordeuropäischen Wege zwischen offizieller Neutralität und Involvierung in militärische Konflikte während der letzten beiden Jahrhunderte nachzeichnen, zum anderen aber - was wichtiger ist - versuchen zu verstehen, was Neutralität historisch und gegenwärtig de iure und de facto bedeuten kann, wie sie verteidigt wird und welche Mechanismen dazu führen, dass sie angestrebt oder verworfen wird. Und selbstverständlich werden auch die NATO-Beitrittsgesuche Finnlands und Schwedens von 2022 zur Sprache kommen.

Der Kurs wendet sich an Studierende der skandinavistischen Kulturwissenschaft und der Geschichtswissenschaft. Studienleistungen für Geschichtsstudierende können als Kurse für Neuere und Neueste Geschichte angerechnet werden. Sprachkenntnisse in skandinavischen Sprachen und/oder im Finnischen sind vor Vorteil, aber nicht Teilnahmevoraussetzung.

Literatur:
Pascal Lottaz / Herbert R. Reginbogin (Hgg.): Notions of Neutralities, Lanham (MD) 2019. Matthias Herdegen: Neutralität, in: Ders.: Völkerrecht (= Grundrisse des Rechts), 14. Auflage, München 2015, Sp. 1-4. Gunilla Herolf: Non-Aligment and European Security Policy at Work, Helsinki 2000.

Semester: WiSe 2023/24
Selbsteinschreibung (Teilnehmer/in)
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