Im Kunstkontext wird der sogenannte „documentary turn“ meist in Verbindung mit den politischen Umbrüchen um 1989 angesetzt. In der Folge wird die Frage nach dem Umgang mit sozialen und historischen Wirklichkeiten – der üblicherweise akademischen Disziplinen oder dem klassischen Dokumentarfilm vorbehalten war – in verschiedenen künstlerischen Praktiken neu verhandelt, vom Kino über die bildende Kunst bis zu Theater und Tanz.
Zugleich ist
die Frage des Umgangs mit der Wirklichkeit zentral für jeden reflektierten
Gebrauch von Medien: Wie können wir unsere Wirklichkeitserfassung und
-darstellung gestalten im scheinbaren medialen Overkill? Welche Ansätze zum
kritischen Umgang mit den teilweise konkurrierenden medialen
Wirklichkeitsangeboten gibt es? Dabei sind in den letzten Jahren auch verstärkt
Fragen der Auseinandersetzung mit Dokumenten und Archiven aus kolonialen
Kontexten und die dekoloniale Perspektivierung von Geschichte in den Fokus
gerückt.
Das Seminar möchte einen Einblick in verschiedene Ansätze dokumentarischer
Praktiken (z.B. Forensic Architecture, Otolith Group, Hito Steyerl, Milo Rau) geben
sowie ihre historischen und theoretischen Grundlagen diskutieren.
Es ist angedacht, auch Veranstaltungen oder Ausstellungen zum Thema zu
besuchen.
Literatur zur Einführung:
Hohenberger, Eva /Katrin Mundt (Hg.): Ortsbestimmungen. Das Dokumentarische
zwischen Kino und Kunst. Vorwerk 8, Berlin 2016.
Lund, Cornelia: „Elastic realities – documentary practices between cinema and
art“, in: Ars, v. 17, n. 35 (2019), Dossiê Membranas: intersecções entre
arte, ciência e tecnologia, S. 167–182. http://www.revistas.usp.br/ars/article/view/152831/153218
Lund, Cornelia: „Die Elastizität des Dokumentarischen. Der Dokumentarfilm
zwischen Kino- und Kunstkontext“, in: Carsten Heinze, Thomas Weber (Hg.): Medienkulturen
des Dokumentarischen. Springer VS, Wiesbaden 2017, S. 253–267.
- Kursverantwortliche/r: Cornelia Lund