Kurseinschreibung

Theater braucht Stadtluft. Wo es darum geht, Dramen aufzuführen, ist eine communitas, eine Kommune gefragt, die öffentlichen Raum und festliche Gelegenheit, Mitspieler und Publikum, Ausstattung und politische bzw. geistliche Lizenz zu Rede und Urteil der Interagierenden zur Verfügung stellt. Dabei lässt der zeremonielle Rahmen etwa der mittelalterlichen Passions-, Oster- oder Fronleichnamsspiele die Inszenierung, die in der gegenwärtigen Forschung als "pararituell" bezeichnet wird, in Konkurrenz zur Liturgie treten. So jedenfalls kritisiert Luther die Theatralisierung geistlicher Inhalte. Da er aber nicht auf die Wirksamkeit des theatralen Spiels verzichten möchte, empfiehlt er apokryphe Stoffe als Vorlagen. Sie beanspruchen nicht den Status heiliger oder dogmatisch relevanter Schriften, sondern beruhen auf freier zu behandelnden, deutungsoffeneren und didaktisch flexibleren Historien ohne unmittelbar geltenden "wahrheitsfähige[n] Litteralsinn" (Bent Gebert). Sie können ebenso der biblischen, mit Vorliebe alttestamentlichen, wie der Überlieferung römischer Historiographie entnommen sein und bilden das Reservoir des frühreformatorischen Dramas, dessen Träger – wie in der griechischen und römischen Antike – die Polis ist. Das SE strebt eine Analyse exemplarischer Spiele aus den Bereichen Tragedia, Comedia und Tragicomedia an, die es erlauben, das Verhältnis von vormodernem Theater und Verhandlung kommunaler Angelegenheiten zu rekonstruieren. Im Mittelpunkt stehen dabei die Stoffkreise um Judith, Susanna und Verginia.

Semester: SoSe 2023
Selbsteinschreibung
Selbsteinschreibung