Aktuelle gesellschaftliche Fragen und Auseinandersetzungen sind immer stärker auf die Digitalisierung bezogen. Im Seminar wollen wir das Potenzial der Praxistheorie für die Analyse digitaler Phänomene ausloten und eine praxeologische Perspektive entwickeln. Das Spezifische der digitalen Kultur scheint nämlich gerade darin zu liegen, dass sie sich besonders gut mit bereits existierenden Praktiken verbindet, weil sie offenbar in besonderem Maße in der Lage ist, Praktiken zu verknüpfen: beispielsweise Praktiken des Fotografierens mit Praktiken des Kommunizierens (Selfies, Instagram usw.), Mobilitäts- mit Navigations- und Bezahlpraktiken (Carsharing, Leihräder, Uber etc.), Praktiken der Selbstdarstellung mit solchen der Partnerwahl (Tinder, OKCupid, Grindr usw.) oder Konsum- mit Bewertungspraktiken (Ebay, Amazon, TripAdvisor usw.).
Zunächst untersuchen wir bestehende sozialtheoretische Ansätze, wie sich die Digitalisierung erfassen lässt (z.B. im Hinblick auf Daten, Algorithmen, Infrastrukturen, Muster, Bewertungen, soziale Differenzierung etc.) und diskutieren vergleichend die Vor- und Nachteile ihrer Herangehensweisen. In einem zweiten Schritt bestimmen wir die Spezifika der Praxistheorie, reflektieren ihre Desiderata und wenden sie auf digitale Phänomene an. Drittens fragen wir nach dem gesellschaftstheoretischen Ertrag dieser Perspektive.