Auf die Frage nach seinen Wurzeln soll der Marxist und selbsterklärte „nicht-jüdische Jude“ Isaac Deutscher ungehalten erwidert haben, dass Bäume Wurzeln haben, Juden aber Beine (vgl. Schama 1996). So begründet Deutschers Klarstellung auch sein mag, ist jedoch der moderne jüdische Diskurs von Land und Heimat von einem dichten botanischen Metapherngeflecht durchzogen, in dem Menschen und Pflanzen, insbesondere Bäume, gerade mit Blick auf ihre ‚mobilen‘ Wurzeln als regelrechte Doppelgänger erscheinen. Vor diesem Hintergrund soll es im Seminar in der Auseinandersetzung mit literarischen und nicht-literarischen Texten vor allem um zwei miteinander verschränkte Felder gehen: Zum einen um den jüdischen Diskurs vom europäischen und insbesondere ›deutschen Wald‹, zum anderen um die Entstehungsgeschichte des botanischen Zionismus (vgl. von Suffrin 2019) und die Aufforstungsprojekte des Jüdischen Nationalfonds/Keren Kayemeth LeIsrael. Mit den gleichermaßen symbolisch, imaginär wie auch real wirkmächtigen Bäumen dieser mal als ›Natur‹-, mal als ›Kultur‹-Landschaften gezeichneten Wälder kommt das Wechselverhältnis von Mensch, Baum und Land in seinen politischen, ästhetischen und ökologischen Fassungen und Figurationen in den Blick.
PD Dr. Lena Kugler (lena.kugler@hu-berlin.de)
Voraussetzungen: Zwei Tage vor der jeweiligen Seminarsitzung sind zwei Textbeobachtungen und/oder -fragen hochzuladen bzw. herumzuschicken; Bereitschaft zur Übernahme eines kurzen Impulsreferats.