Von einer Krankheit, die von der Antike bis in die Frühe Neuzeit auf die Bewegungen einer ansonsten inaktiven Gebärmutter zurückgeführt wird, wandelt sich die Hysterie im 18. Jahrhundert zu einer Nervenkrankheit. Im 19. Jahrhundert setzt sich dann allmählich die Auffassung durch, dass Hysterie auch bei Männern auftreten kann. Dennoch wird die hysterische Krankheit die weiblich-misogynen Assoziationen, die heute noch im Alltagsgebrauch des Wortes ‚hysterisch‘ mitschwingen, nicht verlieren. Auch nicht bei Sigmund Freud, der einer der letzten Generationen von Ärzten angehört, die mit diesem Krankheitsbegriff arbeiten – und der ihn gänzlich umdefiniert.
Im Seminar werden wir uns, mit Blick auf das 17.-20. Jahrhundert, mit dem Krankheitsbild der Hysterie, seinen historisch unterschiedlichen Beschreibungen in medizinischen und psychopathologischen Traktaten und seinen ebenso facettenreichen wie provokanten Darstellungen in französischsprachigen literarischen Texten auseinandersetzen. Nach einem ersten Teil zu Jean Racines Phèdre (1677), Denis Diderots La religieuse (1780/1796) und Gustave Flauberts Mme Bovary (1857) beschäftigen wir uns im zweiten Teil des Seminars mit Jean Martin Charcots und Sigmund Freuds Hysteriestudien und ihrer literarischen und literaturtheoretischen Rezeption im 20. Jahrhundert. Das Seminar setzt gute Französischkenntnisse voraus. Bitte beginnen Sie bereits in der vorlesungsfreien Zeit mit der Lektüre von La religieuse und Mme Bovary (empfohlene Taschenbuchausgaben: folio Gallimard).
- Kursverantwortliche/r: Manuel Gianotti
- Kursverantwortliche/r: Prof. Dr. Marie Guthmüller
- Kursverantwortliche/r: Gabriele Lazik