„Wir haben uns mit dem Problem herumzuschlagen, wie wir trotz der
ökonomischen und ökologischen Verheerungen leben sollen. Weder gibt es
Fortschrittserzählungen noch solche des Niedergangs, die uns erklären
würden, wie ein gemeinsames Überleben bewerkstelligt werden könnte. Es
ist also an der Zeit, dem Sammeln von Pilzen Beachtung zu schenken.
Nicht, dass uns das retten würde – aber es dürfte unserer Fantasie auf
die Sprünge helfen.“ Anna Tsings Vorschlag mag zunächst überraschen,
vielleicht sogar irritieren: Pilzsammeln auf einem beschädigten
Planeten? Tatsächlich erschließen die Geschichten, die Tsing in Der Pilz
am Ende der Welt erzählt, eine Pluralität von Welten, erschaffen – aber
auch wieder zerstört – in komplexen Gefügen. Es geht um Begegnungen, um
Menschen und Nichtmenschen, um Ökosysteme in Zentraljapan, in Oregon,
Yunnan, und Lappland; es geht um Zerstörung und Verlust, aber immer
wieder auch um Hoffnung und Möglichkeiten des Handelns. Dabei stellt
sich jedoch ganz wesentlich auch die Frage danach, welche Geschichten es
eigentlich sind, die da erzählt werden, und wie sie erzählt werden,
also eine zentrale Frage der Kulturwissenschaft überhaupt. So befasst
sich das Seminar ausgehend von der Lektüre von Der Pilz am Ende der Welt
kritisch mit unterschiedlichen Medien, Methoden und Herausforderungen
kulturwissenschaftlichen Arbeitens, um zu fragen, welche Geschichten
„unserer Fantasie auf die Sprünge helfen“, welche Geschichten wir
manchmal lieber nicht erzählen möchten, und wann und warum wir es
nichtsdestoweniger tun sollten.
- Kursverantwortliche/r: Moritz Gansen