Obwohl mit dem Aufkommen der Digitalfotografie bereits über
das Ende des fotografischen Zeitalters spekuliert wurde, sind Fotos in unserer medialen
Umwelt allgegenwärtig. Seit ihrer Entdeckung in den 1820er Jahren und entlang
ihrer fortwährenden technischen wie ästhetischen Weiterentwicklung übte die
Fotografie eine enorme Bedeutung auf eine Vielzahl unterschiedlicher
Diskursfelder aus. Roland Barthes bemerkte 1980 in seinem bedeutsamen Essay Die
Helle Kammer: „Was die PHOTOGRAPHIE endlos reproduziert, hat nur einmal
stattgefunden: sie wiederholt mechanisch, was sich existentiell nie mehr wird
wiederholen können.“ Gleich mehrere Topoi, die das Nachdenken über die
Fotografie seit jeher begleiteten, verbergen sich in dieser Beobachtung: die
technische Reproduzierbarkeit einzelner Fotografien, die Gedächtnisfunktion und
die Konservierung des Verschwindenden, die Frage nach ihrem Wirklichkeitsbezug
und dem Verweis auf etwas Gewesenes. Die Etablierung der digitalen
Bildbearbeitung evozierte gleichsam neue Debatten, wie beispielsweise um die Wahrhaftigkeit
des Dargestellten.
Im Seminar wollen wir uns anhand klassischer Texte den verschiedenen Problemfeldern
und Theorieentwürfen nähern, welche die Geschichte der Fotografie und ihre
paradigmatischen Umbrüche begleiteten. Neben der Auseinandersetzung mit Fragen
der Indexikalität, der Objektivität, ontologischen Bestimmungsversuchen oder
der Konstruktion gesellschaftspolitischer Dispositive, werden wir auch auf
konkrete Anwendungsbereiche schauen. Vor dem Hintergrund dieser Diskurse werden
z.B. die Fotografie als experimentalwissenschaftliches Instrumentarium,
Geisterfotografien im Kontext spiritistischer Séancen, Bilder aus dem
Kriminalwesen oder der Psychiatrie des 20. Jahrhunderts Gegenstand des Seminars
sein.
- Kursverantwortliche/r: Jonathan Haid