Kurseinschreibung

Die Musik ist ein prägendes und ambivalentes Motiv in Thomas Manns literarischem Werk, changierend zwischen unentrinnbarer Faszination und dem Wissen um die darin liegenden Abgründe und Gefahren. Immer aufs Neue wird das Thema variiert, von den "Buddenbrooks" (1901) mit der durch die Musik gleichsam lebensuntüchtig gemachten Figur des Hanno Buddenbrook über die Novellen "Tristan" (1903) und "Wälsungenblut" (1906, veröffentlicht 1921), über die zentrale Rolle von Franz Schuberts Lied "Der Lindenbaum" im "Zauberberg" (1924) bis hin zum Musikroman par excellence: "Doktor Faustus" (1947). Dort strebte Mann nichts Geringeres an als eine Verknüpfung des von den Deutschen 1933 vermeintlich eingegangenen faustischen "Teufelspaktes" mit der identitätsstiftenden Bedeutung der Musik für die deutsche Kultur – ein Thema, das er 1918 in den "Betrachtungen eines Unpolitischen", auch unter dem Eindruck von Hans Pfitzners Oper "Palestrina" (1917), noch ganz anders behandelt hatte: als Entgegensetzung von "deutschem Geist" und "französischer Zivilisation".
Im SE sollen Thomas Manns Musikverständnis und Musikrezeption anhand ausgewählter Texte analysiert und in den Zusammenhang zeitgenössischer Debatten eingeordnet werden. Ein besonderes Augenmerk wird dem Verhältnis Manns zu Richard Wagner gelten, aber auch der komplizierten Bezugnahme des "Doktor Faustus" auf die Theorien Arnold Schönbergs (die Mann wiederum durch Theodor W. Adorno vermittelt wurden). Nicht zuletzt soll es darum gehen, das gerade für den "Doktor Faustus" konstitutive Prinzip der sprachlichen Evokation realer und fiktiver Musikstücke sowie die mögliche Strukturierung von Prosatexten nach Analogie musikalischer Formmodelle zu untersuchen, etwa die von Thomas Mann für sein Schreiben selbst in Anschlag gebrachte Adaption der Wagner'schen Leitmotivtechnik.

Es empfiehlt sich, frühzeitig mit der Lektüre des umfangreichen Romans "Doktor Faustus" zu beginnen, möglichst in dieser Ausgabe:

  • Thomas Mann: Doktor Faustus. Das Leben des deutschen Tonsetzers Adrian Leverkühn, erzählt von einem Freunde. In der Fassung der großen, kommentierten Frankfurter Ausgabe, Frankfurt a.M. 2012 (Fischer Taschenbuch, € 12,99)

Forschungsliteratur zur Einführung:

  • Hans Rudolf Vaget: "Wehvolles Erbe". Richard Wagner in Deutschland. Hitler, Knappertsbusch, Mann, Frankfurt a.M. 2017
  • Tim Lörke: Die Verteidigung der Kultur. Mythos und Musik als Medien der Gegenmoderne: Thomas Mann, Ferruccio Busoni, Hans Pfitzner, Hanns Eisler, Würzburg 2010
  • Johannes Odendahl: Literarisches Musizieren. Wege des Transfers von Musik in die Literatur bei Thomas Mann, Bielefeld 2008
  • Hans Rudolf Vaget: Thomas Mann und die Musik, Frankfurt a.M. 2006
  • Volker Mertens: Groß ist das Geheimnis. Thomas Mann und die Musik, Leipzig 2006
  • Angelika Abel: Musikästhetik der Klassischen Moderne. Thomas Mann – Theodor W. Adorno – Arnold Schönberg, München 2003
  • Ute Jung: Die Musikphilosophie Thomas Manns, Regensburg 1969

Semester: SoSe 2020
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