Mit Les Rougon-Macquart. Histoire naturelle et sociale d’une famille sous le Second Empire verfasst Emile Zola zwischen 1870 und 1893 einen groß angelegten Romanzyklus, im Rahmen dessen er erforschen will, wie die erblichen Anlagen einer Familie sich in unterschiedlichen sozialen Milieus und zu unterschiedlichen historischen Momenten ausbilden. Zola erzählt das Leben von fünf Generationen: von dem der hysterischen Ahnmutter Adélaïde Fouque, die der Fiktion nach noch vor der Französischen Revolution, 1768, geboren ist, bis zu dem ihrer Ururenkelin Clotilde, die 1874 selbst Mutter wird. Vor dem Hintergrund der Degenerationstheorie des Psychiaters Bénédict-Augustin Morel und erster Forschungen im Bereich der Genetik erzählt Zola, wie sich die psychopathologischen Anlagen Adélaides auf ihre Kinder und Kindeskinder vererben und wie diese Anlagen mit dem Milieu, in dem die Familienmitglieder jeweils leben, interagieren. Dabei betrachtet Zola seine schriftstellerische Arbeit, wie er es Le Roman expérimental ausführt, als die eines Wissenschaftlers und stellt sie zudem an der Spitze einer Wissenschaftspyramide, die in zunehmender Komplexität der untersuchten Phänomene von der Chemie zur Biologie, Physiologie, Anthropologie und schließlich zur Psychologie aufsteigt: Die Domäne der menschlichen Psyche, dem nach Zola komplexesten Untersuchungsgegenstand überhaupt, reklamiert er für die Literatur.

Im Seminar werden wir der Frage nachgehen, wie Vererbung und Geisteskrankheit in den Rougon-Macquart narrativiert werden und welche Verfahren Zola anwendet, um den Medizinern, Physiologen und Genetikern seiner Zeit immer eine Nasenlänge voraus zu sein.   

Folgende Romane des zwanzigbändigen Zyklus werden im Seminar behandelt: La conquête de Plassans 1871 (Auszüge), L’Assomoir 1877, L’Œuvre 1886, La Bête Humaine 1890, Le docteur Pascal 1893 (Auszüge). Die lange vorlesungsfreie Zeit sollte genutzt werden, L’AssomoirL’Œuvre und La Bête Humaine zu lesen, zur Anschaffung empfohlen werden die Ausgaben von folio gallimard. Die Veranstaltung wird aller Voraussicht nach digital und synchron stattfinden, sollte die Pandemielage es erlauben auch in Präsenz.

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