Das Seminar setzt sich mit Bildung als kultureller Formation
auseinander. Dafür sollen drei Kulturtheorien der Bildung (Burckhardt,
Hegel, Bourdieu) und ein Text zu Klassismus behandelt werden.
Bildung
als kulturelle Formation verstanden ist nicht in erster Linie eine
Tätigkeit oder ein Ideal, sondern wird von einem bestimmten
soziokulturellen Milieu getragen und repräsentiert. Dieses Milieu kann
durch Bildungsdistinktion, überlegenes Gemeinschaftsgefühl und
spezifische „gebildete“ Interaktions- und Urteilsformen charakterisiert
werden. Bildung funktioniert dabei nur durch ein Anderes, von dem sie
sich als Positives abgrenzt, d. h. von sogenannter „Ungebildetheit“, z.
B. der unreflektierten Übernahme von Zeitungsnachrichten oder einer
Präferenz für sogenannte seichte Unterhaltung. Diese Abgrenzung wird
heute als Klassismus diskutiert, einer kulturellen Diskriminierungsform,
die nicht den ökonomisch bedingten Klassenunterschieden entspricht,
wenn sie auch damit verflochten ist. Die gebildeten Interaktionsformen
können schließlich in eine Überordnung der Form über den Inhalt der
Interaktion übergehen, so dass die Gewähltheit oder die Gewitztheit des
Ausdrucks zu Kriterien für Bildung werden, nicht mehr bestimmte
Kenntnisse oder Fähigkeiten.
Eine gute Vorbereitung für das Seminar
ist die Lektüre der autobiographisch-soziologischen Romane „Die Jahre“
von Annie Ernaux und „Rückkehr nach Reims“ von Didier Eribon.
Literatur:
Jacob Burckhardt: „Die Kultur der Renaissance in Italien“, daraus das Kapitel über den Renaissance-Humanismus.
G. W. F. Hegel: „Die Phänomenologie des Geistes“, daraus das Kapitel „Die Bildung und ihr Reich der Wirklichkeit“.
Pierre Bourdieu: „Die feinen Unterschiede“, daraus diverse Auszüge.
Christian Baron: „Klasse und Klassismus. Eine kritische Bestandsaufnahme“, in: Prokla 175 (2014), S. 225-235.
- Kursverantwortliche/r: Emanuel Kapfinger