Der Philosoph und Psychologe Carl Stumpf hat um die Jahrhundertwende 1900 das wissenschaftliche Programm einer phänomenologisch orientierten und experimentell gestützten Psychologie erarbeitet.  In einer Phase der Differenzierung und Professionalisierung der Psychologie hat er der Untersuchung der musikalischen Wahrnehmung, vor allem in völkervergleichender Perspektive, einen hohen Stellenwert beigemessen. Neben der philosophischen und methodischen Reflexion dieser Entwicklungen übernahm er eine Pionierrolle bei der Implementierung neuer Technologien und Formen der Datengewinnung. Die Einrichtung des Phonogramm-Archivs am Psychologischen Institut der Berliner Institut zählt ebenso zu diesen Aufschreibesystemen wie die im Schülerkreis entwickelten Verfahren zur Ermittlung von Vokalformanten, zur Untersuchung der Gehörs- und Gestaltwahrnehmung und zum Richtungshören.

Das Seminar beleuchtet diese Versuchsanordnungen und Aufzeichnungsformen im Kontext der von Friedrich Kittler begründeten Theorie der Aufschreibesysteme.

Literatur:

Sprung, Helga (Hrsg.), Carl Stumpf – Schriften zur Psychologie , Frankfurt/M. 1997 (Beiträgezur Geschichte der Psychologie, 14).

Sprung, Helga und Lothar Sprung, Carl Stumpf - eine Biografie: von der Philosophie zurExperimentellen Psychologie , München 2006 (Passauer Schriften zur Psychologiegeschichte, 14).

Wontorra, H. Maximilian, Frühe apparative Psychologie , Lübeck und Marburg 2009.

Ash, Mitchell G., Gestalt psychology in German culture, 1890 - 1967: holism and the quest for objectivity , Cambridge 1995 (Cambridge studies in the history of psychology).

Kittler, Friedrich A., Aufschreibesysteme 1800 · 1900 . 4., vollständig überarb. Ausgabe, München 2003.

Klotz, Sebastian, „Tonpsychologie und Musikforschung als Katalysatoren wissenschaftlichexperimenteller Praxis und der Methodenlehre im Kreis von Carl Stumpf“, in: Berichte zur Wissenschaftsgeschichte 31(3) 2008, S. 195-210.

Semester: SoSe 2020