Das gemittelte (zeitunabhängige) Verhalten von Systemen im thermodynamischen Gleichgewicht kann mit Methoden untersucht werden, die aus den Vorlesungen zur Thermodynamik und zur Statistischen Physik bekannt sind. Um zeitabhängige Phänomene (Relaxationsprozesse, zeitliche Korrelationen von Gleichgewichtsfluktuationen) in Gleichgewichtssystemen zu erfassen aber vor allem auch um komplexe Nichtgleichgewichtssysteme in der Physik, Biologie und Chemie zu beschreiben, müssen diese Methoden erweitert bzw. durch grundlegend neue Beschreibungsweisen ergänzt werden. Die Vorlesung zur Physikalischen Kinetik ist der Statistischen Physik von zeitabhängigen Phänomenen in Gleichgewichts- und Nichtgleichgewichtssystemen gewidmet.
 
Ausgehend von der Beschreibung von Fluktuationen in der Nähe des thermodynamischen Gleichgewichts wird zunächst die Onsagersche Theorie für thermodynamische Kräfte und Flüsse behandelt und mithilfe von Fluktuations-Dissipations-Theoremen diskutiert, wie die spontanen Fluktuationen eines Systems mit seiner mittleren Reaktion auf äußere Störungen zusammenhängen. Als ein wichtiges Beispiel  wird die Brownsche Bewegung in externen Potentialen besprochen und ihre mathematische Beschreibung über Langevin- und Fokker-Planck-Gleichungen eingeführt. In diesem Zusammenhang wird auch die Herleitung der verallgemeinerten Langevin-Gleichung mit Gedächtnisreibung aus mikroskopischen Modellen diskutiert. Im Weiteren werden die Kramers-Rate, Reaktions-Diffusions-Systeme, Musterbildung (Turing pattern), und Probleme der Stochastischen Thermodynamik behandelt. Anschließend an die Statistische Physik wird dann  die kinetische Theorie der Gase und Plasmen, die Boltzmann-Gleichung, das H-Theorem, die Transport-Gleichungen sowie quantenmechanische Erweiterungen der klassischen Theorie  besprochen. Die Vorlesung schließt mit einem Ausblick auf moderne Anwendungen der vorgestellten Methoden.
Semester: SoSe 2020