Vor allem in ihrer späteren Phase, etwa ab den 1870er Jahren, wird die deutschsprachige Literatur des Realismus zum Reflexionsmedium tiefgreifender Modernisierungsprozesse. Autoren wie Theodor Fontane, Wilhelm Raabe oder Theodor Storm verhandeln in ihren Texten nicht nur die gesellschaftlichen Folgen von technologischen Innovationen, fortschreitender Industrialisierung, oder zunehmender Globalisierung, sondern hinterfragen zugleich die Darstellbarkeit von Wirklichkeit im Medium Literatur vor dem Hintergrund dieser Veränderungen. Das Seminar führt mit Fokus auf das Werk der oben genannten Autoren in die Literatur des späten Realismus ein und befragt diese im Zuge dessen auf ihre Auseinandersetzung mit der Modernisierung sowie literarischer Wirklichkeitsdarstellung im Spannungsfeld medienkultureller Transformationsprozesse. Im Mittelpunkt stehen dabei beispielsweise das Verhältnis des Realismus zum Konkurrenzmedium Fotografie und zur illustrierten Zeitschrift als "Massenmedium" des 19. Jahrhunderts. So werden im Seminar nicht nur methodologische Kenntnisse zur Untersuchung von Intermedialitätsphänomenen sowie epistemologischen und poetologischen Reflexionen in literarischen Texten vermittelt, sondern auch die medialen und sozialgeschichtlichen Kontexte der Literatur des späten 19. Jahrhunderts beleuchtet.

Semester: SoSe 2020