Wilhelm Müller verdankt seine Bekanntheit wohl vor allem dem Umstand, dass der bei der Textwahl meist wenig wählerische Franz Schubert seine berühmtesten Lieder auf Grundlage zweier seiner Gedichtzyklen komponierte: „Die schöne Müllerin“ und „Die Winterreise“. Davon abgesehen haftet ihm das Etikett der literarischen Mittelmäßigkeit an – was freilich kein Grund dafür ist, auf eine literaturwissenschaftliche Auseinandersetzung mit seinem Werk zu verzichten.
Dass in diesem Werk Entdeckungen zu machen sind, möchte das SE zeigen. In den wenigen Jahren seiner literarischen und publizistischen Tätigkeit (er starb 1827, kurz vor seinem dreiunddreißigsten Geburtstag) hat Müller eine enorme Produktivität entfaltet: Neben die Lyrik treten Novellen und Reiseberichte, Herausgaben älterer deutscher Literatur, Artikel für Lexika, Buchbesprechungen, Schriftstellerbiografien und philologische Studien.
Im SE soll es daher sowohl um den Publizisten Müller gehen, der vor allem die zeitgenössische Lyrik im Blick behält, als auch um den Literaturvermittler, der mit kleinen Artikeln und einer umfangreicheren Biografie die ohnehin große Popularität Lord Byrons im deutschen Sprachraum weiter befeuert. Hinzu kommt der Prosaschriftsteller, der Reisebriefe aus Italien und Novellen im tieckschen Stil veröffentlicht. Und natürlich soll es um den Lyriker Müller gehen, der sich nicht nur für den griechischen Unabhängigkeitskampf engagiert, sondern mit der „Winterreise“ – der eine ausgiebige gemeinsame Lektüre im SE gewidmet sein soll – auch eine erstaunlich vielschichtige romantische Lieddichtung vorlegt.

Semester: SoSe 2020