In der U-Bahn, im Park, im Café: überall überhört man Gespräche über den aktuellen Berliner Mietmarkt. Die Wörter „Wahnsinn“, „angespannt“ und „Katastrophe“ fallen dabei nicht selten. Oftmals hört man hingegen von denjenigen, die schon vor 20 oder gar 30 Jahren Erfahrungen bei der Wohnungssuche in Berlin gesammelt haben, wie einfach und günstig es doch früher gewesen sei. Andererseits herrschte insbesondere auch um die Zeit der Wiedervereinigung sowohl in Ost- als auch West-Berlin chronische Wohnungsnot (vgl. Berlinische Monatsschrift Heft 6/2001). Und: war es nicht selbst in Zeiten eines Überangebotes für einige schwieriger als für andere, passenden Wohnraum zu finden? Wie haben sich Zugänge zu Wohnraum für bestimmte Gruppen seit Mitte der 80er Jahre entwickelt?
In diesem Seminar wollen wir gemeinsam untersuchen, wie sich der Berliner Mietwohnungsmarkt anhand von Interviews mit Zeitzeug*innen rekonstruieren lässt. Der Fokus liegt dabei auf der methodischen Frage, wie Erinnerungen, hier anhand der Fallstudie des Mietmarkts, geprägt, geformt und artikuliert werden. Wie können wir mit Erinnerungen an Zeiten vor 10, 20, 30 Jahren in der qualitativen Sozialforschung arbeiten? Welchen Beitrag können sie zu einer ethnografischen Studie leisten?
Im Sinne des Forschenden Lernens werden wir in diesem Kurs nicht nur theoretische Literatur (z.B. zur Erinnerungsforschung) lesen, sondern ihr werdet angeleitet eigenständige Forschungsprojekte entwickeln. Ihr werdet hierfür selber narrative Interviews vorbereiten, führen und auswerten. Die Ergebnisse werden am Ende des Semesters öffentlich gemacht (bspw. in Form eines Symposiums, einem Artikel, einem Podcast oder einer kleinen Ausstellung). Idealerweise bringt ihr schon theoretische Vorkenntnisse in qualitativen Methoden der Sozialforschung mit. Das Seminar steht Studierenden verschiedener Fachrichtungen offen. Falls vorab Fragen bestehen, kontaktiert mich gerne unter der E-Mail-Adresse lisa.joeris@zmo.de.