Das Johannesevangelium gehört zu den vier ersten Büchern des neutestamentlichen Kanons, in welchen die Geschichte zumeist der letzten Lebensjahre oder -monate, des Todes und der wunderbaren Auferstehung des Jesus von Nazareth erzählt wird. Die neutestamentliche Wissenschaft beschäftigt sich seit mehr als zweihundert Jahren mit der Frage nach der Entstehung dieser zum Teil ähnlichen, zum Teil aber auch sehr unterschiedlichen Texte und ihrem Verhältnis zueinander.
Das wohl späteste Vierte Evangelium, das den Namen eines Johannes trägt (ob darunter ursprünglich einer der zwölf Apostel gemeint war, ist möglich aber zweifelhaft), erzählt eine Geschichte, die sich von den anderen (sog. „synoptischen“) Erzählungen über Jesus stark unterscheidet. Und doch weist auch dieses Buch viele inhaltliche und strukturelle Affinitäten zu den früheren Evangelien auf, die freilich nicht immer sofort bemerkbar sind, sondern einer aufmerksamen philologischen Untersuchung bedürfen.
Hat der Autor die Werke seiner Vorgänger gekannt? In der Antike hat man die Frage positiv beantwortet, im 20. Jh. hingegen zumeist negativ, in den letzten Jahren vollzieht sich diesbezüglich wieder eine Wende. Wir wollen die Texte des Johannes vergleichend lesen (zumeist das Markus- und das Lukasevangelium nutzend), um zu verstehen, wie der Autor seine sehr neue Darstellung doch anhand der älteren Vorbilder hergestellt hat.   

Noch im Laufe des Kurses sollen die ersten Vergleichsergebnisse bei der jährlichen Konferenz der Society of Biblical Studies (San Diego, Kalifornien) vorgestellt werden.

Griechischkenntnisse sind Voraussetzung für die Teilnahme. Auch Theologiestudierende sind herzlich willkommen.

Einführende Sekundärliteratur: Becker, E.-M., Bond, H.K., Williams, C.H. (eds.), John’s Transformation of Mark, London 2021; Söding, Th. (Hg.), Johannesevangelium – Mitte oder Rand des Kanons? Neue Standortbestimmungen, Freiburg i.Br. 2003; Thyen, H., Das Johannesevangelium, Tübingen 2005 (22015).

Semester: WiSe 2024/25