Neben der Subjektivität und der Räumlichkeit ist die Frage der Gestaltung von Zeitlichkeit eine der grundlegenden Dimensionen, die den besonderen Reiz der (Erzähl-)Literatur ausmachen. Zur Vertiefung grundlegender Kenntnisse der Textanalyse möchte das Seminar daher diesen Themenkomplex in doppelter Hinsicht behandeln: Im ersten Teil des Seminars wird es um Fragen der textimmanenten Gestaltung von Zeitrelationen in fiktionalen Erzähltexten gehen – hier werden u.a. erzähltheoretische Kategorien wie Ordnung, Dauer und Frequenz an konkreten Textbeispielen eingeübt. Im zweiten Teil des Seminars wird es dann um die Frage gehen, welche Formen von Geschichtlichkeit man in literarischen Texten untersuchen kann, ohne sich auf die Annahme zu beschränken, dass literarische Geschichten die außerliterarische Geschichte einfach nur abbilden oder widerspiegeln: Hier soll wiederum an konkreten Textbeispielen die Bedeutung unterschiedlicher Dimensionen von Historizität in literarischen Texten erarbeitet werden, wie z.B. die Diskurs- und Mediengeschichte, aber auch die Geschichtlichkeit der ‚langen Dauer‘. Es soll sich dabei zeigen, dass literarische Texte nicht nur die Wahrnehmung von Geschichtlichkeit (z.B. hinsichtlich dessen, was wir für modern halten oder was Gegenstand des kulturellen Gedächtnisses wird und was nicht) entscheidend mitprägen, sondern unter Umständen sogar ‚Eigenzeiten‘ entwickeln, die nur in literarischen Texten in dieser Form existieren.

Semester: WiSe 2024/25