Mit dem Begriff des Anthropozän popularisierten Crutzen und Stoermer im Jahr 2000 einen Begriff für eine geochronologische Zeitepoche, in welcher der Anthropos (altgr. ἄνθρωπος, deutsch »Mensch«) den dominierenden Faktor geologischer Prozesse markiert. Auch wenn der Begriff des Anthropozäns längst Einzug in verschiedenste Diskurse erhalten hat, hat sich seit seiner Einführung auch zahlreich Kritik formuliert. Zentrale Vorwürfe richten sich gegen die implizite Verallgemeinerung der Menschheit und ihrer Einflüsse auf planetarische Prozesse. Der Begriff verschleiere Machtachsen und unterschiedliche globale Verantwortlichkeiten. Außerdem transportiere er Vorstellungen eines menschlichen Exzeptionalismus, den einige Denker*innen als eine Ursache anthropogener planetarischer Veränderungen analysiert haben. Ausgehend von dieser Kritik sind in jüngerer Zeit zahlreiche Ansätze formuliert worden, um die unterschiedlichen Verortungen, historischen Verantwortlichkeiten und multiplen Wissensformen in der Auseinandersetzung mit dem Anthropozän auf eine kritische Weise kollaborativ zusammenzubringen. Es geht zentral darum, koloniale Kontinuitäten in Form von Aneignung, Ausgrenzung und Hierarchisierung von Wissen zu analysieren und die verschiedenen Ontologien, Interessen und Positioniertheiten derer ethisch zusammenzudenken, die in Konfliktzonen und Schauplätzen des Anthropozäns aufeinandertreffen. Dazu beschäftigt sich das Tutorium mit Forderungen der Multispecies Studies und Critical Indigenous Studies wie »Indigenizing the Anthropocene« (Todd 2015) und untersucht u.a. markante Konzepte wie uncommons, pluriverse und ethical relationality. Ziel ist es, in Auseinandersetzung mit der Lektüre die eigene geografische und epistemische Situiertheit zu hinterfragen und eine kritisches Bewusstsein für das belastete Aufeinandertreffen unterschiedlicher Akteur*innen im Anthropozän zu entwickeln.

Semester: SoSe 2024