‚Der Osten‘ wurde kürzlich als ‚westdeutsche Erfindung‘ (D. Oschmann)
dekonstruiert. Doch war der Osten auch einmal mehr als bloße
Zuschreibung, nämlich eine eigenständige Realität mit eigener Ökonomie,
Politik und Kultur Immerhin verstand sich der Ostblock als
realsozialistischer Staatenbund. Doch tat er das zurecht? Der Osten
erzählte sich offiziell als rationale Gesellschaft, die Emanzipation
jenseits der Ausbeutung real umsetze, während der Westen behauptete,
Freiheit, Demokratie und Menschenrechte zu verkörpern. Nun bleibt als
Frage: Können wir uns im 21. Jahrhundert restlos einer der beiden
Vorstellungswelten zuordnen? Auch der Kapitalismus steht heute
schließlich wieder von allen Seiten in der Kritik, etwa, weil er nicht
ökologisch sei, weil er kolonialistisch bleibe oder weil er die Kluft
zwischen Arm und Reich weiter aufreiße. Über seine Alternativen
nachzudenken, scheint insofern erneut angebracht. Dachten nicht Osten
wie Westen gleichermaßen zu dichotom, zu manichäisch, zu eindimensional ?
Und falls ja: Wären wir, mehr als dreißig Jahre nach Mauerfall, mit
etwas Distanz nicht in der Lage, hier differenzierter zu urteilen? Oder
befinden wir uns doch noch oder schon wieder im Paradigma des Kalten
Krieges?
- Kursverantwortliche/r: Lukas Meisner