Die aktuellen Diskussionen um „fake news“ und „post-truth“ wie auch die
Praxis permanenter Selbstdarstellung in den sozialen Netzwerken führen
uns dazu, die ethischen Fragen nach Wahrheit und Wahrhaftigkeit neu zu
bedenken. Die Vorlesung stellt anhand theologischer, philosophischer und
soziologischer Texte drei Hauptaspekte dieses Problemkreises vor.
Zunächst geht es um den Selbstbezug, also um die Suche nach
Wahrhaftigkeit sich selbst gegenüber und um die Frage, inwieweit man
sich selbst belügen kann. In einem zweiten Teil wird nach der
Wahrhaftigkeit in zwischenmenschlichen Beziehungen gefragt: Gibt es eine
absolute Pflicht, die Wahrheit zu sagen? Können Regeln benannt werden,
um zu einer Polarität von Wahrheit und Verhüllung anzuleiten, die im
Umgang miteinander angeraten scheint? Ein dritter Teil behandelt den
fragilen Status der Wahrheit in unseren Demokratien, insbesondere die
Infragestellung von „Tatsachenwahrheiten“ und den Vertrauensverlust der
wissenschaftlichen Forschung. Können wir uns noch darauf einigen, dass
es sich lohnt, über die Wahrheit zu streiten?
Eine Literaturliste wird zu Beginn der Vorlesung bereitgestellt.
Zur Vorbereitung:
Theologie: - Augustinus, Die Lügenschriften (Augustinus Opera – Werke 50), Paderborn u. a. 2013. - Dietrich Bonhoeffer, „Fragment eines Aufsatzes: Was heißt die Wahrheit sagen?“, in Dietrich Bonhoeffer Werke 16, Gütersloh 1996, 619-629. - Eberhard Schockenhoff, Zur Lüge verdammt? Politik, Medien, Medizin, Justiz, Wissenschaft und die Ethik der Wahrheit, Freiburg 2000.
Philosophie/Soziologie: - Jean-Paul Sartre, Das Sein und das Nichts, Hamburg 1952 (oder spätere Auflagen), Kapitel 2: „Die Unaufrichtigkeit“. - Michel Foucault, Der Mut zur Wahrheit. Die Regierung des Selbst und der anderen II. Vorlesung am Collège de France 1983/84, Frankfurt a. M. 2012. - Bernard Williams, Wahrheit und Wahrhaftigkeit, Frankfurt a. M. 2003. - Myriam Revault d’Allonnes, Brüchige Wahrheit: Zur Auflösung von Gewissheiten in demokratischen Gesellschaften, Hamburg, 2019.
- Kursverantwortliche/r: Karsten Lehmkühler