Gerhard Wolf erfand 1971 mit seiner Beschreibung von Bobrowskis Arbeitszimmer eine eigene essayistische Gattung zur Einführung in die Poetik des 1917 im ostpreußischen Tilsit geborenen Autors. Bobrowski lässt die Landschaft des „deutschen Ostens“ in seiner Lyrik und Prosa mit dem antiken Sarmatien verschmelzen. 1962 für den Gedichtband Sarmatische Zeit von der Gruppe 47 ausgezeichnet und von Zeitgenossen wie Hubert Fichte, Günter Bruno Fuchs oder Sarah Kirsch bewundert, blieb Bobrowski bis zu seinem frühen Tod 1965 in Ost und West ein Solitär. Bobrowski führte vor Augen, dass Geschichte und kulturelles Gedächtnis der Menschen in der DDR nicht erst mit der Gründung des Staates begann. Klang, Gestus und Bildwelt seiner poetischen Prosa setzten dem konfrontativen politischen Klima der Nachkriegszeit die Vergegenwärtigung einer Welt entgegen, in der Deutsche, Polen, Litauer, Juden und Russen mit- und nebeneinander gelebt hatten und die 1945 unwiderruflich verloren schien. Seine Herkunft, aber auch die Teilnahme am Vernichtungskrieg gegen Polen und die Sowjetunion und vier Jahre Kriegsgefangenschaft im Donezbecken verbanden den Autor mit diesem Kulturraum im Osten.

Literatur: Johannes Bobowski: Levins Mühle. Roman (1964), Erzählungen „Mäusefest“ (1962); „Lipmanns Leib“ (1962); „Die ersten beiden Sätze…“ (1964), „Der Mahner“ (1965); Gerhard Wolf: Beschreibung eines Zimmers. 15 Kapitel über Johannes Bobrowski (1971); Gerhard Wolf: Im Bilde sein. Gerhard Altenbourg. Grafiken zu Dichtung von Johannes Bobrowski (2000). In: Gerhard Wolf: Herzenssache. Memorial - Unvergessliche Begegnungen. Berlin 2020, S. 91-100.

Studienleistung: drei zweiseitige Textanalysen

Semester: SoSe 2024