Dieses Seminar untersucht eines der zentralen gesellschaftspolitischen Projekte der Sowjet­union: der Erschaffung des „neuen Menschen“. Der Kurs erforscht dieses Projekt in seiner ganzen Spannbreite und Widersprüchlichkeit. Er berücksichtigt dabei den Wandel der gelebten Realität ebenso wie konkurrierende Utopien einer Gesellschaft der Zukunft sowie Zweifel, Zukunfts­ängste und Dystopien.

Besondere Aufmerksamkeit wird der Vielfalt geschenkt, die für die Entwürfe vom neuen Menschen einerseits und für den Alltag und die Umsetzung dieser Entwürfe andererseits kennzeichnend waren. Manche sahen den neuen Menschen als entferntes Ziel, andere als konkretes Modell für „richtiges“ Verhalten. Viele nutzten dieses Bild zur Mobilisierung im Kampf gegen tatsächliche und imaginierte Feinde des Sozialismus. Der neue Mensch wurde zugleich besungen und verspottet. Im Alltag identifizierten sich die einen mit dieser Vorstellung, während andere damit nur Zwang und Kontrolle in Verbindung brachten. Zudem: Welches Geschlecht und welche Nationalität hatte der neue Mensch?

Zur Erforschung dieses Themenkomplexes werden im Seminar eine Vielzahl von visuellen und gedruckten Quellen des Zentrums und der verschiedenen Sowjetrepubliken zu Rate gezogen, von Dekreten, Reden und Protokollen über Presseartikel und Memoiren bis hin zu Literatur, Foto- und Filmmaterial.


Semester: WiSe 2023/24