Dieses Bachelorseminar begleitet Ihr fortgeschrittenes Studium. Während die meisten Veranstaltungen eine thematische Klammer mit Blick auf Ereignisse und Strukturen haben, möchte diese Veranstaltung konsequent vom Objekt ausgehen.
Die Schriftrolle ist dabei ein Schriftträger, der uns heute jenseits kultischer Kontexte weniger vertraut ist, im Mittelalter aber noch in vielen Situationen zur Anwendung kam. Wir kennen also nicht allein Tora-Rollen, sondern auch Steuerrollen, Schadensrodel, Kalender, Zeugenlisten und viele mehr.
Die Kulturtechnik des Auf- oder Einbringens von Zeichen auf oder in Rollen ist dabei gemeinsames Erbe antiker Kulturen in vielen Teilen der Erde: zumindest von England bis Äthiopien, von Marokko bis Japan, aber auch weit darüber hinaus. Als Ausdrucksform für gesprochene Sprache begegnen uns Rollen auch in der mittelalterlichen darstellenden Kunst.
Anhand
ausgewählter Beispiele sollen die Potentiale der Beschäftigung mit
Schriftrollen – auch als Perspektive einer posteurozentrischen Geschichtswissenschaft
– ergründet und die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Bearbeitung geklärt
werden. Zugleich werden grundlegende Arbeitstechniken aufgefrischt und
gefestigt, erprobt und einstudiert. In der ersten Sitzung werden die für alle
verbindlichen „Spielregeln“ festgelegt und um die Vorschläge der Studierenden
ergänzt.
Das Einüben grundlegender Arbeitstechniken und die Ausbildung eines
Methodenbewusstseins sind essentiell für ein erfolgreiches Studium, das gilt
auch für eines der Geschichte. Um den Anforderungen an das Studium der
jeweiligen Teildisziplinen (wie etwa der epochal und meistens auf Europa
ausgerichteten Mittelalterlichen Geschichte) gerecht zu werden, verknüpfen die
Bachelorseminare propädeutische Aspekte mit thematischen Zugriffen.
Perspektiven auf Räume und Prozesse von Kulturtechniken, auf Materialität und
Bewahrung ermöglichen nicht zuletzt aufgrund der Einflüsse
kulturwissenschaftlicher Arbeiten die Fokussierung auf Kulminationspunkte
historischen Arbeitens und Analysierens. Weiterhin soll unser Geschichtsbild
über das sog. Mittelalter einer Prüfung unterzogen werden.
Anhand
ausgewählter Beispiele vornehmlich, aber nicht nur aus dem sogenannten
lateineuropäischen Mittelalter werden curriculare Aufgaben der
Veranstaltungsform erarbeitet und somit Grundlagen für Quellendiskussionen
geschaffen.
Vorgesehen ist zusätzlich ein halb- oder ganztägiger Ausflug an einem noch
festzulegenden Termin. Sollte dies in Präsenz nicht möglich sein, gibt’s einen
Online-Ausflug.
Es können im Rahmen der Veranstaltung Arbeitsfelder für die BA-Thesis im Bereich mittelalterliche Geschichte erprobt werden. Dies schließt – bei Interesse der Studierenden – dezidiert grundwissenschaftliche Arbeiten mit ein.
Auch über den eigentlichen thematischen Fokus hinaus sind Vorhaben, die in eine BA-Abschlussarbeit überführt werden sollen, stets willkommen.
Erfolgreichen Teilnehmer:innen der Veranstaltung soll die Möglichkeit der Präsentation von Postern auf einer wissenschaftlichen Tagung gegeben werden.
Auf Wunsch der Studierenden wird die Veranstaltung (wie das Geschichtsstudium im Allgemeinen) mit einer Trigger-Warnung versehen: die Lektüre von Quellen erschüttert mitunter Weltbilder und fordert Denkmuster heraus. Sie offenbart und erfordert die Auseinandersetzung unter anderem mit menschlichen Abgründen, Gewalt, Zwang, Ungleichheiten, Politik, Religion.
- Kursverantwortliche/r: Dr. Joern Roland Christophersen