Seit der Unabhängigkeitserklärung 1948 versichert sich der Staat Israel auf verschiedenen Ebenen seiner selbst – durch den Gründungsakt, in kriegerischen Auseinandersetzungen, durch national-religiöse Mythen und Symbole, die Pflege von Kulturgütern, durch Gedenkorte, museale Ausstellungen sowie die Gestaltung besonderer Topographien wie der Felsenfestung Masada, des Sees Kinnereth/Genezareth oder der seit 2003 errichteten Sperranlagen, der Mauer hin zum Westjordanland (‚Westbank‘). Auch palästinensische Bevölkerungsgruppen versuchen, ihre Tradition, Identität, Autonomie und politischen Visionen zu präsentieren und sich als Kollektiv zu stabilisieren. Einige Filmemachende – u.a. M. Abramson, R. Alexandrowicz, U. Aloni, E. Burnat, A. Faingulernt, E. Riklis, Y. Shamir, E. Suleiman, U. Tabari sowie das jüdisch-arabische Künstlerkollektiv Acco Theatre Center (S. Yaaron) – spiegeln die Verflechtungen beider Positionen aus einer Doppelperspektive.

Entlang von Texten dieser Autor*innen: S. Adwan, D. Bar-On, D.C. Brecher, E. Bronfen, J. Butler, J. Derrida, A. Gavron, N. Gertz, P. Grabher, D. Grossmann, J. Hempel, G. Kanafani, R. Morag, A. Nasser, G. Seeßlen, werden im Forschungsseminar folgende Fragen adressiert: Wie lässt sich das Verhältnis von Simultaneität und Konfliktträchtigkeit von (jüdisch-)israelischer und arabisch-palästinensischer Kultur, Gesellschaft und Politik beschreiben? Welche Rolle spielt Masada für die Initiation von IDF-Soldaten in die nationale Gemeinschaft (Vereidigung und Entlassung)? Wie spiegeln Aufbau und Besucher*innenführung in der Shoah-Gedenkstätte Yad Vashem die israelische Umgangsweise mit Erinnerungsnarrativen und Remythisierung? Welche Funktion hat der asymmetrische Zugang zur immer knapper werdenden natürlichen Ressource Wasser für die Selbstdefinition und das Überleben beider demographisch-politischer Kollektive? Was lassen die exzeptionellen Fertility Politics in Israel über kollektive Ängste wissen? Wie werden die Al-Nakba, die gewaltsame Vertreibung der arabischen Bevölkerung und Inbesitznahme vormals palästinensischer Ortschaften im Zuge der Staatsgründung Israels und des Unabhängigkeitskriegs, usf., sowie der bis heute andauernde illegale Siedlungsbau in Texten und kulturellen Artefakten bearbeitet? Wie wird die lange Gewalt- und Psychotraumageschichte beider Kollektive in Ausstellungen, Podcasts, Hörspielen, Theaterstücken, Belletristik, Fotos und Filmen verarbeitet? Und was macht es in Deutschland so schwer, sachlich über Israel/Palästina und verschiedene Konfliktlösungsansätze (u.a. Zwei-Staaten-Lösung) zu sprechen (M. Mendel)?

Im Forschungsseminar werden Studienprojekte erarbeitet, die sich bestehenden und künftigen Bemühungen zur Aufklärung, kritischen Historiographie und Friedensarbeit sowie dem Schutz von Menschenrechten widmen. Die multimedialen Ergebnisse werden auf einer gemeinsamen Abschlussveranstaltung präsentiert.

Semester: WiSe 2023/24