Paratexte geben Texten einen Rahmen, eine äußere Kontur. Sie sind der Ort, an dem der Anspruch des Textes, seine Poetologie oder Medialität verhandelt wird, an dem andere Texte kommentiert, Produktionsbedingungen reflektiert und Fiktionspakte geschlossen werden. Das Seminar nähert sich dem literarischen Text von seinen nahen und entfernteren Rändern aus und fragt nach dem Verhältnis von Text und Paratext, das je nach historischer Situation sehr unterschiedlich sein kann: Garantierte die Vorrede im aufklärerischen Bildungsroman z.B. noch die Geschlossenheit des Werks, so haben Listen, Links und Emojis im Poproman unserer Gegenwart vielmehr die Funktion, die Grenzen des Buches aufzubrechen und Sinnzuschreibungen zu destabilisieren.

Auf der Grundlage einschlägiger Paratext-Konzepte (Genette, Derrida) und Text-Kontext-Theorien (Intertextualität, Transkriptivität, Kulturpoetik) gehen wir Paratexten literarischer, filmischer und digitalästhetischer Texte nach. Leitend ist dabei die Frage nach der Reichweite einer Text-Paratext-Unterscheidung inklusive ihrer normativen Implikationen in Anbetracht der historischen Transformationen von ‚Text‘-Bedingungen: Unsere postdigitale Gegenwart, in der sich die paratextuellen Funktionen der Präsentation, Kommentierung und Kritik des Texts zunehmend in die „Zwischenräume von Buchkultur und sozialen Medien“ verschieben (Birnstiel), scheint der ideale Standort für eine kritische Prüfung und Neujustierung literaturwissenschaftlicher Methoden und Theorien der Textanalyse.

Semester: SoSe 2023