Das
Seminar bietet an, Grundlagentexte karibischer Kulturtheorie neu zu
lesen, um längst zu Allgemeinplätzen der Kulturwissenschaften gewordene
Begriffe wie Transkulturation, Kreolisierung und Relationalität wieder
in ihren karibischen Entstehungskontexten zu verorten. Dabei stand die
Antillenregion als Epizentrum eines stillen Theorieexports in den ersten
beiden Jahrzehnten des 21. Jahrhunderts auf der
geisteswissenschaftlichen Agenda, weil an ihren Theorieentwürfen
alternative Genealogien der Moderne in den Blick gerieten.
Deterritorialisierung, Entwurzelung, Transgression und Biopolitiken als
Konditionen einer westlichen Moderne, haben in der Karibik eine frühe
Globalisierungsgeschichte, die sich in einer langen Bewegung
widerständigen, polyphonen Denkens niedergeschlagen hat. Das Seminar
möchte angefangen bei den Gründungsmythen des europäischen Erbes
(Shakespeare: Der Sturm) im Schwarzen Atlantik (Gilroy/Rediker) zurück
zu den Vorreitern karibischer Kulturtheorie gehen, die wie Fernando
Ortiz, Aimé Césaire und Frantz Fanon bis heute den Kanon
kulturgeschichtlicher Forschungen beeinflussen, aber auch aktuellste
dekoloniale Projekte grundieren.
Gerade der Topos der Haitianischen
Revolution hat dabei zu Kritik an westlichen Epochen- und
Theoriemodellen geführt (Buck-Morss).
Besonders die frankokaribische
Theorie mit Édouard Glissants Poétique de la Relation (Poetik der
Vielheit) unterliegt einer konstanten globalen Rezeption. Das
archipelische Denken Glissants kann durch hispanokaribische
Theorieansätze wie bei Antonio Benítez Rojo (La isla que se repite) um
Konzepte der Fraktalität und der Polyrhythmik erweitert werden. Von
anglophonen Debatten um Hybridität unterscheiden sie sich dabei
durchaus. Je nach Zeitplanung kann die Textauswahl auch auf Literatur
und angewandte Praxis ausgeweitet werden. Wenn keine deutschsprachigen
Übersetzungen vorliegen wird die englischsprachige Lektüre
vorausgesetzt.
- Kursverantwortliche/r: Johanna Abel