Nach links oder rechts wischen? Tippen, ziehen oder lange drücken? Einschalten oder ‚Abschalten‘ auf Knopfdruck? Diese Aktivitäten sind heute – in einer Zeit, die manche als „age of haptics“ (Jütte) bezeichnen – ubiquitär und ihre Bedeutungen gehören oft zum Alltagswissen. Im Seminar hinterfragen wir diese und weitere Verrichtungen aus dem Bereich des Haptischen und Taktilen als Techniken der Sinne, um sie kulturwissenschaftlich einzuordnen und analytisch beschreiben zu können. Ausgangspunkt dafür sind die Diskussionen um den „sensory turn“, einer Wende, die die Bedeutung der Sinne für die Kultur- und Wissensgeschichte hervorhebt. Wir greifen diese Debatte auf, um uns differenziert mit haptischen Techniken und Technologien auseinanderzusetzen und diese zu historisieren. Ziel ist es, die Bedeutung des Haptischen bezüglich der Generierung von „apparativen“ Wahrnehmungsweisen (Bergermann) sowie spezifischen Wissensbeständen herauszuarbeiten.

Das Seminar bietet dabei eine Einführung in die Thematik des Tastsinns, der damit verbundenen Sinnes- bzw. Körpertechniken (Mauss) sowie des kulturell geprägten sowie technologisch situierten haptischen Wissens. Es führt zuerst in die kulturgeschichtlichen Diskussionen um diese sensorische Modalität sowie die damit verknüpften Techniken und Materialitäten ein. Wir problematisieren die jeweiligen Begriffe und verorten Konzepte des Haptischen/Taktilen dann in wissenschaftshistorischer Perspektive. Nachdem wir uns mit einschlägigen kulturtheoretischen Positionen vertraut gemacht haben, befassen wir uns mit einigen maßgeblichen technischen Objekten, die den spätmodernen und digitalen Tastsinn prägen. Wir nähern uns etwa Drucktasten und Schaltern an und versuchen die Umgangsweisen mit Tastaturen, Remote Control oder Touch-Screens in digitalen Kulturen zu begreifen. Es geht darum, die jeweiligen Techniken der Berührung bzw. des Berührt-werdens im Zusammenhang mit einer zunehmenden Verwissenschaftlichung und Technologisierung zu verstehen. Zugleich sollen relevante kulturellen Semantiken des Haptischen sowie deren Implikationen für soziale, politische und ökonomische Zusammenhänge erschlossen werden.

Das Seminar gibt somit auf exemplarische Weise einen Überblick über Forschungsgegenstände, methodische und theoretische Ansätze, mit denen der Tastsinn als historisch veränderbares Wissensobjekt sowie situierte Sinnes-Technik kulturwissenschaftlich untersucht werden kann

Semester: SoSe 2023