Die Geburtsstunde der Psychoanalyse fällt mit der Preisgabe der Hypnose als Technik der kathartischen Methode zusammen. Damit gibt Sigmund Freud „Anna O.“, der späteren jüdischen Frauenrechtlerin Bertha Pappenheim, recht, die kraft Widerstands gegen die Hypnose der talking cure (GW VIII, S. 7) zum Durchbruch verhalf. Zweifellos ist die Psychoanalyse, nicht nur wegen der Entdeckung der „infantilen Sexualität“, eine Wissenschaft der Kindheit: Jede Analyse führt auf kurz oder lang zurück auf diese konfliktbeladene Zeit im Dispositiv der ödipalen Familie. Wie aber steht es um die Psychoanalyse mit Kindern, die einen anderen Zugang zum Sprechen finden als Erwachsene? Freud selbst war 1909 mit der Analyse der Phobie eines fünfjährigen Knaben und 1921 mit der Analyse des „Fort-Da-Spiels“ erste Schritte in Richtung Kinderanalyse gegangen. Doch erst seine Tochter, Anna Freud, sollte der Kinderanalyse eine gewichtige theoretische, praktische und institutionelle Bedeutung verschaffen. Im Seminar widmen wir uns den Pionier*innen der Kinderanalyse (Sigmund Freud, Anna Freud, Dorothy Burlingham, Melanie Klein, Donald Winnicott) und fragen nach der akuten zeithistorischen Bedeutung der Kinderanalyse, insbesondere im Hinblick auf die Shoah aus der Perspektive überlebender jüdischer Kinder (Marie Paneth).

Semester: SoSe 2023