Die in der Lyrik des 21. Jahrhundert beobachtbare Mehrsprachigkeit ist ein Reflex auf die Lebensrealität der Dichter*innen und ihrer Leser*innen im 21. Jahrhundert, auf ein „Leben im Zwischenraum der Sprachen“ – ermöglicht durch Bilingualität, nahegelegt durch poetische Übersetzungstätigkeit, erzwungen durch Migration, Flucht, Vertreibung usf. Zugleich birgt sie poetisches und sprachkritisches Potential, das von den Dichter·innen genutzt wird, und dem das Seminar nachspüren will: als autonom-explorative Ambiguisierungsstrategie, „auszuloten das abgesteckte Spielfeld, die Arena zwischen Conditio und Voluntas, Gegebenheit und Entscheidungsfreiheit, Schriftbild und Oralität, Zählen und Nennen, Schweigen – oder etwas machen“, so Oskar Pastior 1994 in seinen Frankfurter Poetikvorlesungen Das Unding an sich

Ihre Vertreter*innen schließen an sprachexperimentelle Traditionen an, die in die internationalen Avantgarden der ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts (teils bis in die Frühe Neuzeit) zurückreicht. Die kleine Form des Gedichts ist das produktivste best- weil engstmögliche Spielfeld, auf dem die kreolische Kollision die Unschärferelation zwischen den Sprachen aufzeigt. Das beweisen die Ultrakurzgedichte Cia Rinnes ebenso wie Uljana Wolfs etymologischer gossip, die komplexen, teils auf barocke Sprachgeneratoren rekurrierenden Gedichte Dagmara Kraus’, die an Wittgenstein, Oberiu und Rap geschulten Prosagedichte Eugene Ostashevskys ebenso wie die Poesie und Poetik Oskar Pastiors, in der die französischen Surrealisten und Symbolisten ebenso resonieren wie die Zaoum-Dichtung Velimir Chlebnikows.

Das Seminar wird vor allem die letzten vier Jahrzehnte in den Blick nehmen, die Ultrakurzgedichte Cia Rinnes ebenso wie Uljana Wolfs etymologischer gossip, die komplexen, teils auf barocke Sprachgeneratoren rekurrierenden Gedichte Dagmara Kraus’, die an Wittgenstein, Oberiu und Rap geschulten Prosagedichte Eugene Ostashevskys und die Poesie und Poetik Oskar Pastiors, in der die französischen Surrealisten und Symbolisten ebenso resonieren wie die Zaoum-Dichtung Velimir Chlebnikows.

Voraussetzung für die Teilnahme am Seminar ist die Bereitschaft zur intensiven Lektüre „schwieriger“ bzw. (scheinbar) unverständlicher Gedichte.

Die Arbeitsleistung besteht in Autor*innenpatenschaften mitsamt (wahlweise mündlichen oder schriftlichen) Kurzpräsentationen. 

Die Textgrundlage des Seminars wird in einem Moodle-Reader bereitgestellt. Vorschläge seitens der TeilnehmerInnen sind willkommen.

Semester: SoSe 2023