Mit der Kalendergeschichte nimmt sich das Seminar eine scheinbar schlichte kleine Prosaform vor, die – zu ihren Anfängen in einem Medienensemble situiert und als Mittel der praktischen und moralischen Anleitung und Volksaufklärung – oft die einzige Lektüre der „einfachen Leute“ war. Das Seminar rückt die Kalendergeschichte sowohl literarisch-narratologisch als kleine, oft ‚novellistische‘ oder parabelartige Erzählung, als auch medienhistorisch in ihrer Einbettung in dem massenhaft verbreiteten publizistischen Medium des Kalenders und in Interaktion mit den darin versammelten kleinen Formen (anhand von digitalen Faksimiles) in den Blick, und spannt den Bogen von ihren Anfängen im 17. Jahrhundert über die literarische Blüte der Form, für die der Kalendermacher Johann Peter Hebel mit seinen im Jahreskalender „Rheinländischer Hausfreund“ veröffentlichten und im „Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes“ (1811) gesammelten Erzählungen wie kein anderer steht – bis hin zu seinen Erben im 19. und 20 Jahrhundert, darunter Bertolt Auerbach, Gottfried Keller, Ludwig Anzengruber, Oskar Maria Graf und Bertolt Brecht.

Die Arbeitsleistung besteht in Autor*innen-, Kalenderpatenschaften oder (medien)historischen Impulsen mitsamt (wahlweise mündlichen oder schriftlichen) Kurzpräsentationen.

 

Textgrundlage:

Johann Peter Hebel: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes. Kritische Gesamtausgabe. Hg. v. Winfried Theiss. Stuttgart: Reclam, 1999 (RUB; 142).

Weitere Texte und Faksimiles werden in einem Moodle-Reader bereitgestellt. Vorschläge seitens der TeilnehmerInnen sind willkommen. 

 

zur Einführung: Fabian Goppelsröder: Kalendergeschichte. In: Enzyklopädie der kleinen Formen [Audio-Enzyklopädie des Podcasts microform], Berlin 2018; www.kleine-formen.de/enzyklopaedie-kalendergeschichte.

 

weiterführend:

Fabian Goppelsröder: Hebels Kalenderpoetik. In: Weimarer Beiträge 63 (2017) H. 1, S. 78-100.

Fabian Goppelsröder: Kalendergeschichte, Fait divers, Twitter. Zur Medienästhetik kleiner Formen. Göttingen: Wallstein [erscheint voraussichtlich im März 2023].

Jan Knopf: Die deutsche Kalendergeschichte. Ein Arbeitsbuch. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1983 (stb; 2030).

Der Kalender als Fibel des Alltagswissens. Hg. v. York-Gothart Mix. Tübingen: Niemeyer, 2005.

Ludwig Rohner: Kalendergeschichte und Kalender. Wiesbaden: Athenaion, 1978.

Heinz Zemanek: Kalender und Chronologie. Bekanntes und Unbekanntes aus der Kalenderwissenschaft. Ein Essay. 5. verbesserte Auflage. München u. a.: Oldenbourg, 1990.

Semester: SoSe 2023