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Utopie und Marxismus scheinen schwer zusammen zu gehen seit Friedrich Engels 1880 erklärte, der Sozialismus sei von einer Utopie zur Wissenschaft geworden, imstande, in der Auseinandersetzung mit realen Verhältnissen reale Veränderungen zu schaffen. Der Mensch müsse in der Praxis „die Wirklichkeit und Macht, Diesseitigkeit seines Denkens beweisen.“, so formuliert es Marx in den berühmten Feuerbachthesen. Der Utopie wurde unterstellt, bloßer Wunschtraum und eben nicht in der Lage zu sein, sich in der Praxis zu beweisen. In der DDR so zum Schimpfwort geworden, wurde als utopistische Phantasterei alles verunglimpft, was versuchte auf den Mangel an Sozialismus im Sozialismus hinzuweisen. Prominente Opfer waren Ernst Bloch und Wolfgang Harich, aber auch an der HUB zeitigte die Diskussion Konsequenzen, etwa als Wolfgang Heise seine Anstellung als Dekan der Philosophie verlor. Künstler_innen wie Christa Wolf und Stefan Heym, deren Werke utopistische Elemente der Kritik am Realsozialismus enthielten, gerieten immer wieder in einen Antagonismus zur Staatsführung. Deren Reaktion auf Reformvorschläge, die in Repressionen unterschiedlichen Ausmaßes bestand, brachten den Ökonom Fritz Behrens gar dazu, die Hoffnung auf eine humanere Welt als nicht utopisches, sondern illusionäres Denken zu verabschieden. Im Seminar werden wir Texte von allen genannten Autor_innen lesen und uns mit der Funktion von Utopie als transitorischer Kategorie zu Erkenntnis, hier über Missstände im Realsozialismus, auseinandersetzen. Ziel des Seminar ist es, einen Überblick über verschiedene reformsozialistische Ansätze, ob sie ästhetischer, ökonomischer oder philosophischer Art sind, zu erhalten und uns zu fragen, inwiefern sie uns Aufschluss geben können über unsere Gegenwart, die wie die der DDR eine der zerreißenden Widersprüche ist.

Semester: WiSe 2022/23