In dem Seminar lesen und diskutieren wir gemeinsam Max Imdahls Buch FarbeKunsttheoretische Reflexionen in Frankreich. Der Text von 1987 verbindet zwei methodische Ansätze, die vom Autor in ein spannungsgeladenes Verhältnis gerückt werden: Historischer Überblick der Malerei vom 17. bis 20. Jahrhundert in Frankreich und theoretische Einführung in den widersprüchlichen Komplex Farbe. Der historische Ansatz verfolgt eine enge Auseinandersetzung mit Texten aus dem zeitnahen Kontext. Selbstaussagen aus künstlerischer Perspektive, Zeitzeugnisse der königlichen Kunstakademie sowie naturwissenschaftliche Farbenlehre und Optik ergeben ein komplexes Netzwerk, das in der französischen Malerei seinen ästhetischen Niederschlag findet. Der theoretische Anspruch macht den speziellen Einsatz und das Ausdruckspotential der Farbe für die weitere Entwicklungsgeschichte der Malerei verantwortlich: Die Befreiung der Farbe von der Form ist mit einer Rebellion der Malerei verbunden, die sich vor dem Hintergrund des Konturismus-Kolorismus-Streites abspielt und mit der Autonomisierung des Bildes einhergeht. Die Malerei löst sich von rein repräsentativen Funktionen und stellt somit ihr spezifisches Vermögen frei: Sie provoziert ein Sehen, das sich im Vollzug entfaltet und sich nicht auf vorbasierte Erkenntnis stützt. Farbe wird so zu einem erkenntnistheoretischen Instrument, das während der Betrachtung der Gemälde einen neuen Erfahrungshorizont ermöglicht.

Die Lehrveranstaltung wird gemeinsam mit Philipp Kaspar Heimann (KHI Florenz) durchgeführt.


Semester: WiSe 2022/23