Rätselhaft wie ein „unabgeschliffener Monotlith“ stünde laut Walter Benjamin in der Landschaft des Goetheschen Werks der Begriff des „Dämonischen“. Auf dieser Spur haben auch andere Interpreten jene Erfahrung einer ‚nicht lösbaren Zweideutigkeit’ an der Grenze von Goethes Werk ausgemacht. So eröffnet der Begriff zugleich einen frischen Blick auf dessen Modernität. Das vom „Dämon“ abgeleitete Phänomen machte Goethe hierbei selbst Mühe, da es sich – so in „Dichtung und Wahrheit“ – „nur in Widersprüchen manifestierte“ – er selbst habe sich zu dessen Darstellung daher immer wieder „hinter ein Bild“ geflüchtet.
Diese Schlüsselkategorie Goethes lässt sich also vornehmlich in Genres und Gestalten ausmachen. In einem ersten Schritt sollen insofern schlaglichtartig Werkkomplexe sondiert werden, ausgehend von den autobiographischen Zeugnissen über Stücke wie den „Faust“ oder „Tasso“, mit der Annahme, dass das Dämonische auch als Antrieb der dichterischen Produktivität angesehen werden kann. Daneben soll ein Augenmerk auf das Dämonische als die Zeit um 1800 bestimmende Qualität gelegt werden. In einem zweiten Schritt werden Fortentwicklungen des Begriffs – in der Romantik, bei Kierkegaard oder bei Nietzsche – verfolgt.
Daran anschließend wird ein dritter Schwerpunkt auf der ‚Wiederkehr des Dämonischen’ im Zeichen der Krisen des frühen 20. Jahrhundert liegen, an der die Spannweite des Konzepts – von Literatur, Politik über Philosophie bis Religion – bei so unterschiedlichen Autoren wie Thomas Mann, Benjamin oder Paul Tillich sinnfällig wird. Den Abschluss bildet eine Betrachtung nach 1945, um die Deutungskraft dieses heiklen Begriffs zu bündeln, der damals im Zeichen eines radikal „gefährdeten Menschen“ (Walter Muschg) reinterpretiert wurde.

Semester: WiSe 2022/23