Dass die Kritik an ihr Ende geraten sei, ist eine in den letzten Jahren häufig formulierte Diagnose. Sie betrifft verschiedene Register kritischen Denkens und kritischer Praxis. So scheint die Literaturkritik in ihren bisherigen Formen und Formaten an die etablierten Medien – Tages- und Wochenpresse, Rundfunk, Fernsehen – gebunden, während in den ‚sozialen Medien‘ Autor:innen und (nicht-professionelle) Lesende vermeintlich unmittelbareren Kontakt miteinander aufnehmen können. Die Kritische Theorie in der Philosophie, den Sozial- und Kulturwissenschaften muss sich fragen lassen, ob ihre ‚universalistischen‘ Vorannahmen und Argumente angesichts diversitärer oder dekolonialer Perspektiven aufrechterhalten werden können. Und in der – v.a. angloamerikanischen – Literaturwissenschaft wird die ohnehin schon spannungsvolle terminologische Differenz von ‚Critique‘ und ‚Criticism‘ durch Konzepte wie ‚Postcritique‘ oder ‚Creative Criticism‘ teils ergänzt, teils unterlaufen.
Im SE sollen diese Positionen anhand neuerer und neuester Debattenbeiträge diskutiert, aber auch auf ihre historischen Vorläufer befragt werden, zu denen etwa die Forderungen nach einer ‚neuen‘ Kritik in der Frühromantik oder den 1960er Jahren gehören. Textvorschläge der Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind erwünscht!

Vorgesehene Arbeitsleistung: spezielle Zuständigkeit für eine Sitzung (Hintergrundpapier und Kurzreferat).

Semester: WiSe 2022/23