KOMMENTAR

In der aktuellen Debatte, die auch als “Historiker*innenstreit 2.0” bezeichnet wird, prallen scheinbar unvereinbare lokale und transnationale Erinnerungsdiskurse zu genozidaler Gewalt, Rassismus und Antisemitismus aufeinander. Auslöser dieser sehr emotional und teilweise stark polemisch geführten Kontroverse sind einerseits Antisemitismusvorwürfe gegenüber dem postkolonialen Theoretiker Achille Mbembe; andererseits die deutsche Übersetzung der Monografie von Michael Rothberg, in der er die Verbindungen zwischen dem Gedächtnis der Shoah als Erfahrung des extremen Traumas und dem postkolonialen Gedächtnis besonders hervorhebt.

Diese Debatte affiziert die Singularitätsthese der Shoah. Sie wird im Forschungsdiskurs nicht mehr nur in Frage gestellt, sondern zunehmend als von der Forschung überholte Position definiert. Das entspräche einem Paradigmenwechsel in den Holocaust Studies. Dem entgegen positionieren sich insbesondere jüdische Historiker*innen. Im Seminar soll zunächst die Genese der Holocaustforschung nachvollzogen werden, um daran anschließend diese spezifische Kontroverse näher zu beleuchten. Dafür beschäftigen wir uns aber nicht nur mit der historischen Forschungsliteratur, sondern richten den Blick auch auf die für die Holocaust Studies bedeutsamen Ansätze der Traumatheorie, Theorien der Zeug*innenschaft und kulturwissenschaftlichen Gedächtnisforschung.

Semester: SoSe 2022